Geburtshilfe Frauenheilkd 2010; 70 - A7
DOI: 10.1055/s-0030-1269965

Hormonelle Kontrazeption in der Adoleszenz – ein Problem für die Knochen?

K Schaudig 1
  • 1Hamburg

Der Einfluss einer hormonellen Kontrazeption auf den Knochenstoffwechsel ist insbesondere bei Jugendlichen ein kritisches Thema. Hauptproblem ist, dass die sogenannte „Peak-Bone-Mass“ bei unter 20-Jährigen noch nicht erreicht ist und sich die Knochenmasse noch im Aufbau befindet. Hemmende Einflüsse auf den Knochenmetabolismus in dieser Lebensphase könnten sich damit langfristig möglicherweise negativ niederschlagen indem der Höhepunkt der Knochendichte geringer ausfällt und ein erhöhtes Osteoporoserisiko im späteren Lebensalter nachfolgt. Mehrere kritische Einflussgrößen sind hierbei zu hinterfragen:

Wann ist die maximale Knochenmineraldichte bei Frauen erreicht und wieviel Zuwachs ist in der Adoleszenz noch zu erwarten?

Welche unterschiedlichen Auswirkungen auf den Knochenmetabolismus sind für die einzelnen hormonellen Kontrazeptiva zu erwarten?

Kann ein möglicher deletärer Einfluss auf die Knochendichte später wieder „aufgeholt“ werden?

Peak-Bone-Mass: Man geht heute davon aus, dass Frauen mit 18 Jahren etwa 90% ihrer endgültigen Knochenmasse erreicht haben. Viel spricht dafür, dass insbesondere die Zeit nach der Menarche mit einem deutlich beschleunigten Knochenmassezuwachs verbunden ist, und dass insbesondere die zwei der Menarche folgenden Jahre entscheidend für die Knochenmasse sind.

Depot-MPA und Knochen: Ein eindeutig negativer Effekt auf die Knochendichte ist von der Dreimonatsspritze mit MPA (DMPA) belegt. Eine ganze Reihe von Studien an Adoleszentinnen konnte zeigen, dass bei 2-jähriger Anwendung die Knochendichte durchschnittlich um 5–6% abnimmt. Wird die Anwendung fortgesetzt, nimmt der Knochenmasseverlust noch weiter zu, wenn auch nicht in der gleichen Geschwindigkeit wie initial. Bei Adoleszentinnen ist diese Entwicklung besonders deletär, da nicht behandelte Mädchen in der gleichen Zeit einen Zuwachs ihrer Knochendichte haben. Pathophysiologisch wird allgemein der durch die Suppression der hypophysär-ovariellen Achse entstehende Östrogenmangel dieser Entwicklung zugrunde gelegt. Der Knochenmasseverlust ist reversibel: 24–30 Monate nach Absetzen des Depot-MPA wird wieder die ursprüngliche Knochendichte erreicht. Ob dies allerdings insbesondere bei Frauen, die in der Adoleszenz über längere Zeit Depot-MPA erhalten haben ausreicht, die bislang nicht erreichte Peak-bone-mass wieder „aufzuholen“, kann aus Sicht der Autorin zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht abschließend beurteilt werden. Zusätzliche Östrogengabe (monatliche Injektionen) konnte in einer prospektiven placebokontrollierten Studie an 12–18-jährigen Mädchen (n=123) den negativen Effekt des DMPA auf die Knochenmasse aufheben und bewirkte eine Zunahme der Knochendichte um 2,8% (LWS) und 4,4% (Femur) über den Zeitraum von 2 Jahren. Die Kontrollgruppe, die nur DMPA und kein Östrogen erhielt, zeigte hingegen nach 2 Jahren einen BMD Verlust von 1,8% (LWS) und 5,1% (Femur). Nach einer neuen Analyse ist auch mit dem niedriger dosierten subcutanen MPA-Depot (104mg) bei längerer Anwendung der negative Knocheneffekt identisch [Kaunitz 2009]. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Anwendung der 3-Monatsspritze bei Adoleszentinnen mit großer Zurückhaltung indiziert werden sollte, zumal Alternativen bestehen, wenn eine Patientin mit der klassischen Kombinationspille nicht zu recht kommt.

Andere Gestagen-Mono-Verfahren und Knochen: Die Datenlage hierzu ist extrem spärlich. Einige kleine Studien gibt es zur Minipille, zu Levonorgestrel sowie zu Etonogestrel-Implantaten, die keinen ungünstigen Einfluss der jeweiligen Methode auf den Knochenstoffwechsel nachweisen konnten (vermutlich aufgrund der Tatsache, dass die ovarielle Östradiolproduktion im Gegensatz zu Depot-MPA nicht so ausgeprägt gehemmt wird).

Kombinationspille und Knochen: Es wird immer wieder diskutiert, inwieweit sich die Einnahme oraler Kontrazeptiva (OC) bei Jugendlichen auf die Entwicklung der Knochendichte auswirken kann. Eine Reihe von prospektiven Studien konnte zeigen, dass bei Mädchen die die Pille nehmen, die Knochenmasse zwar stabil bleibt, die Kontrollgruppe (ohne Pille) aber einen deutlich größeren Zuwachs an Knochendichte im Beobachtungszeitraum hatte. Interessanterweise kommt es unter OC-Einnahme zu einem Abfall der Knochenumbauparameter (z.B. cross-links), die bei den Kontrollgruppen unverändert bleiben, und zwar umso stärker, je höher der Ethinylestradiolgehalt der jeweiligen Pille ist – ein Phänomen, das bei postmenopausalen Patientinnen die Arretierung des östrogenmangelbedingten Knochenabbaus anzeigt, das aber bei Adoleszentinnen möglicherweise ein Zeichen des mangelnden Auf- bzw. Umbaus sein könnte. Es gibt Hinweise darauf, dass nicht so sehr das chronologische Alter hierbei von Bedeutung ist, sondern vielmehr das biologische Alter des reproduktiven Systems. Mit anderen Worten: entscheidend scheint der Abstand zur Menarche bei Beginn der Ovulationshemmereinnahme zu sein und die dann folgende Dauer der Einnahme. Hartard et al konnten in einer retrospektiven Querschnittstudie an 18–24-jährigen Frauen zeigen, dass die Knochendichte in der Subgruppe der Frauen am niedrigsten war, die innerhalb von 2 Jahren nach Menarche mit der OC-Einnahme begonnen und diese länger als 3 Jahre benutzt hatten. Die viel diskutierte Frage, ob möglicherweise Pillen mit sehr niedriger Ethinylestradioldosis (20µg) einen ungünstigeren Einfluss auf die Entwicklung der Knochendichte haben, ist auf dem Boden der aktuellen Datenlage nicht eindeutig zu beantworten. Viel entscheidender scheint aus Sicht der Autorin das Ausmaß der ovariellen Suppression zu sein, das letztlich auch von der Dosis und von den Eigenschaften des verwendeten Gestagens abhängig ist.

Die Auswirkungen der Pilleneinnahme auf den Knochenstoffwechsel sind insgesamt eher marginal. Auf keinen Fall sollte man dieses Thema überbewerten, wenn es um die Frage der sicheren Kontrazeption bei einem Teenager geht. Letzteres ist definitiv das deutlich höhere Gut, zumal es bislang keinerlei Hinweise auf Einflüsse der Einnahme OC auf ein später erhöhtes Frakturrisiko gibt und die Knochenmasse in „Pillenpause“-Phasen vermutlich „aufholt“. Dennoch sollte man bei der Beratung sehr junger Mädchen (vor allem in einem Zeitraum <2 Jahre nach Menarche) die Indikation für den Einsatz einer „Anti-Baby-Pille“ sehr gut prüfen, insbesondere was den nicht-kontrazeptiven Nutzen anbelangt, und – sofern es Phasen gibt, in denen (vorübergehend) keine Kontrazeption benötigt wird – die Mädchen zu Therapiepausen ermutigen, was allerdings bei instabiler Beziehungslage problematisch sein kann und im Gespräch sorgfältig vorab eruiert werden muss! Auch sollte man in diesem Zusammenhang sicherstellen, dass der Calciumkonsum ausreichend ist (>1000mg/die). Es gibt Hinweise darauf, dass eine unzureichende Calciumzufuhr (>800mg/die) sich insbesondere bei Teenagern, die die Pille nehmen, ungünstig auf den Knochenmineralgehalt auswirkt.

Literaturempfehlungen:

  • Curtis KM, Martins SL: Progestogen-only contraception and bone mineral density: a systematic review. Contraception 2006; 73: 470–487.

  • Hartard M, Kleinmond C, Luppa P, Zelger O, Egger K, Wiseman M, Weissenbacher ER, Felsenberg D, Erben RG: Comparison of the skeletal effects of the progestogens desogestrel and levonorgestrel in oral contraceptive preparations in young women: controlled, open, partly randomized investigation over 13 cycles. Contraception 2006; 74: 367–375.

  • Hartard M, Kleinmond C, Wiseman M, Weissenbacher ER, Felsenberg D, Erben RG: Detrimental effect of oral contraceptives on parameters of bone mass and geometry in a cohort of 248 young women. Bone 2007;40: 444–450.

  • Kaunitz AM, Darney PD, Ross D, Wolter KD, Speroff L: Subcutaneous DMPA vs. intramuscular DMPA: a 2-year randomized study of contraceptive efficacy and bone mineral density. Contraception 2009; 80:7–17

  • Lloyd T, Petit MA, Lin HM, Beck TJ: Lifestyle factors and the development of bone mass and bone strength in young women. J Pediatr 2004; 144: 776–782.

  • Lopez LM, Grimes DA, Schulz KF, Curtis KM: Steroidal contraceptives: effect on bone fractures in women. Cochrane Database Syst Rev. 2006; 18:CD006033. Update in: Cochrane Database Syst Rev. 2009; 2:CD006033.

  • Teegarden D, Legowski P, Gunther CW, McCabe GP, Peacock M, Lyle RM: Dietary calcium intake protects women consuming oral contraceptives from spine and hip bone loss. J Clin Endocrinol Metab 2005; 90:5127–5133.

  • Tolaymat LL, Kaunitz AM. Use of hormonal contraception in adolescents: skeletal health issues. Curr Opin Obstet Gynecol 2009; 21: 396–401.