physiopraxis 2010; 8(10): 18
DOI: 10.1055/s-0030-1268205
physiowissenschaft

Arteria vertebralis – Längenveränderung nicht vorhersagbar

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Publication Date:
25 October 2010 (online)

 

Bisher gingen Wissenschaftler davon aus, dass sich Längenveränderungen der A. vertebralis anhand der Biomechanik vorhersagen lassen. So müsste sich das Gefäß bei einer Lateralflexion der HWS auf der konkaven Seite verkürzen und auf der konvexen Seite verlängern. Nun zeigt sich, dass diese Längenveränderungen möglicherweise doch nicht vorhersagbar sind – und dass passive Bewegungsprüfungen die Arterie unter Umständen mehr dehnen als Manipulationen.

Zu diesem Ergebnis kamen Sarah Wuest und ihr Team von der Universität Calgary, Kanada. Sie untersuchten die Beanspruchung der A. vertebralis innerhalb der Foraminae transversariae von C 1–C 6 sowohl während langsamer, passiver HWS-Bewegungen als auch bei HWS-Manipulationen. Dafür platzierten die Forscher acht piezoelektrische Ultraschallkristalle in beide Vertebralarterien einer Leiche, und zwar auf Höhe der zervikalen Segmente. Bei der Leiche handelte es sich um eine 90 Jahre alte Frau, deren Vertebralarterien gesund waren. Die Forscher füllten die Arterie mit einem Gel, sodass deren normale Form wiederhergestellt wurde und ein besseres Leitverhalten der Ultraschallimpulse gegeben war. Nachdem sie die Länge der beiden Gefäße in Neutralposition ermittelt hatten, maßen die Autoren deren Dehnung sowohl bei einer Bewegungsprüfung der HWS in alle Richtungen als auch während zweier verschiedener zervikaler Manipulationen bilateral auf Höhe C 2/3 und C 4/5. Die erste Manipulationstechnik war eine mit einer Rotation gekoppelte Lateralflexion, die andere eine reine Seitneigung. Alle Verfahren führten zwei erfahrene Chiropraktiker jeweils dreimal an der auf dem Rücken liegenden Leiche durch. Die Forscher bestimmten die einwirkenden Kräfte mithilfe eines Druckmesskissens, das unter der Hand des Chiropraktikers und am posterioren Nacken positioniert war.

Sarah Wuest und ihr Team stellten fest, dass die Längenveränderung der A. vertebralis nicht unbedingt vorhersagbar war. Bei einer der Manipulationen beispielsweise verlängerte sich die Arterie auf Höhe von C 2/3 um 0,2 mm. Auf Höhe von C 3/4 derselben Seite verkürzte sie sich jedoch gleichzeitig – und zwar ebenfalls um 0,2 mm. Somit scheint die Arterie in benachbarten Segmenten Beanspruchungen in unterschiedliche Richtungen erfahren zu können. Eine wiederholte Bewegungsprüfung der Rotation verlängerte die Arterie dagegen um bis zu 1,5 mm.

Trotz einiger Limitierungen in der beschriebenen Studie hat es den Anschein, dass sich die A. vertebralis bei Bewegungen anders verhält als bislang angenommen. Zervikale Manipulationen könnten die A. vertebralis zudem weniger beanspruchen als passive, diagnostische Bewegungen der HWS. Die Forscher fordern dringend weitere Studien, um ihre Ergebnisse zu bekräftigen.

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J Manipulative Physiol Ther 2010; 33: 273–278

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