Gesundheitswesen 2010; 72 - P129
DOI: 10.1055/s-0030-1266636

Studiendesign einer Querschnittsstudie zur Erforschung von Primär- und Sekundärpräventionsansätzen von Tabak- und Alkoholkonsum bei Kindern und Jugendlichen

D Spahn 1, A Toschke 2, M Bock 3, S Letzel 1, B Roßbach 1, L Escobar Prinzón 1, E Münster 1
  • 1Institut für Arbeits- Sozial- und Umweltmedizin der Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg Universität Mainz, Mainz
  • 2Institut für Medizinische Informationsverarbeitung Biometrie und Epidemiologie der Medizinischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München, München
  • 3Lehrstuhl für Kriminologie, Jugendstrafrecht, Strafvollzug und Strafrecht des Fachbereichs rechts- und Wirtschaftswissenschaften der Johannes Gutenberg Universität Mainz, Mainz

Hintergrund: Alkohol- und Nikotinkonsum in Kindheit und Jugend stellen ein bedeutendes Public Health Problem dar: In Deutschland rauchen etwa 41% der Jugendlichen von 12–15 Jahren und 72% konsumieren Alkoholprodukte. In dieser verhaltensprägenden Lebensphase werden langfristige gesundheitsgefährdende Gewohnheiten initiiert und manifestiert, so dass Präventionsmaßnahmen von bedeutender gesellschaftlicher Relevanz sind. Für effektive Primärprävention müssen wissenschaftliche Kenntnisse zu Risikofaktoren von Alkohol- und Nikotinkonsum bei Kindern unter 12 Jahren vorliegen. Daten hierzu sind in Deutschland jedoch rar. Die Deutsche Krebshilfe ermöglicht mit ihrer Finanzierung dieses interdisziplinäre Forschungsprojekt an Grundschulkindern. Methode: In Zusammenarbeit mit der Sozialpädiatrie, Biometrie und Kriminologie wird die Arbeitsgruppe „Sozialmedizin/Public Health“ am Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der Universitätsmedizin Mainz 2010/2011 eine Querschnittsstudie an Grundschulkindern (n=2.000) der 3. und 4. Klassen in Rheinland-Pfalz durchführen. Insgesamt werden dort ca. 140.000 Kinder an 922 Grundschulen in unterrichtet. Die Studiendurchführung wird während der Unterrichtszeit in den Grundschulen stattfinden. Als Erhebungsverfahren werden ein standardisierter Fragebogen, u.a. zu Selbstangaben von Nikotinexpositionen, sowie die Sammlung von Speichelproben zur objektiven Erfassung von Nikotinexpositionen eingesetzt. Die Speichelprobensammlung erfolgt ohne körperlichen Eingriff und anonym. Sie ist von epidemiologischer Relevanz, da keine Erkenntnisse vorliegen, ob Kinder dieses Alters zu sozial erwünschten Antworten bei Fragen zu Alkohol- und Tabakkonsum neigen. Ergebnisse: Das datenschutzrechtliche und ethisch geprüfte Erhebungsverfahren sowie das Laborverfahren zur Speichelprobenanalyse werden vorgestellt. Schlussfolgerungen: Ziel ist die Datenbasis zum Konsum von Alkohol und Nikotin bei Heranwachsenden valide zu verbreitern sowie geeignete Ansätze zur Primär- und Sekundärprävention zu erarbeiten. Da in Studienpopulationen von Erwachsenen nachgewiesen werden konnte, dass Selbstangaben von Nikotinexpositionen zu Fehlklassifikationen führen, ist zu prüfen inwieweit Verzerrungen aufgrund von sozial erwünschtem Antwortverhalten auch bei Grundschulkindern auftreten. Gerade bei Fragen zu gesellschaftlich tabuisierten Themen ist dies zur Vermeidung von Ergebnisverzerrungen von erheblicher Relevanz. Die durchgeführte biochemische Objektivierung der Nikotinexposition anhand des Nikotinabbauproduktes Cotinin im Speichel stellt dafür ein geeignetes Instrument dar.