Gesundheitswesen 2010; 72 - P98
DOI: 10.1055/s-0030-1266605

Ist eine gleichzeitige Beeinflussung mehrerer Präventionsbereiche im Grundschulunterricht möglich?

A Roth-Isigkeit 1, C Schwager 2, I König 3, K Misek-Schneider 4, J Schwarzenberger 5
  • 1Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck, Lübeck
  • 2Universität zu Lübeck, Lübeck
  • 3Universität zu Lübeck, Institut für Medizinische Biometrie, Lübeck
  • 4Fachhochschule Köln, Institut für Kindheit, Jugend, Familie und Erwachsene, Köln
  • 5Department of Anesthesiology, David Geffen School of Medicine at UCLA, Los Angeles

Hintergrund: Epidemiologische Studien bei Kindern zeigen die Notwendigkeit für frühzeitig einsetzende multimodale Präventionsmaßnahmen auf, die parallel in mehreren Bereichen präventiv wirksam sind. In dieser Studie wurde geprüft, ob mit einem lehrplankompatiblen Gesundheitsförderungsprogramm Effekte in den Bereichen gesundheitsfördernder Lebensstil, Gewaltprävention sowie physische und psychische Gesundheit bei Grundschulkindern im Regelschulunterricht erzielt werden können. Material und Methoden: Kinder der Interventionsklassen erhielten im Rahmen des Regelschulunterrichtes das Gesundheitsförderungsprogramm „fit und stark plus“, während Kinder der Kontrollklassen an keiner präventiven Maßnahmen teilnahmen. 415 Grundschüler (N=135 Interventionsgruppe; N=280 Kontrollgruppe) beantworteten im Verlauf des 2. Grundschuljahres – vor (T1) und nach (T2) der Intervention sowie 3-Monate nach der Intervention (T3) einen Fragebogen zu den genannten Präventionsbereichen. Es wurden lineare und logistische Regressionsanalysen adjustiert für Alter und Geschlecht zum Zeitpunkt des Follow-up berechnet. Das Alpha-Niveau wurde auf p=0,05 festgelegt und für multiples Testen nach Holm-Bonferoni adjustiert. Ergebnisse: Im Vergleich zu Kindern der Kontrollklassen berichteten Kinder der Interventionsklassen umfassendere Kenntnisse über einen gesundheitsfördernden Lebensstil (Regressionskoeffizient (RC) 1,76; 95% Konfidenzintervall (CI) 1,27–2,25) und eine höhere Handlungskompetenz (RC 1,26; CI 0,80–1,71), weniger Mobbing (RC 0,59; CI 0,14–1,04) und ein angenehmeres Klassenklima (RC 1,09; CI 0,31–1,53). Kinder der Interventionsklassen berichteten gegenüber Kindern der Kontrollklassen weniger Schmerzen (RC 0,64; CI 0,40–0,99) und weniger Arztbesuche aufgrund von Schmerzen (RC 0,41; CI 0,19–0,89), höhere Selbstwerteinschätzungen (RC 2,54; CI 1,18–3,90), höhere Selbstwirksamkeitseinschätzungen (RC 1,78; CI 0,37–3,19) sowie ein positiveres Befinden (RC 1,16; CI 0,70–3,33). Schlussfolgerungen: Die Studie zeigt, dass der Einsatz dieses multimodalen Gesundheitsförderungsprogramms zu signifikanten Effekten in den Bereichen gesundheitsfördernder Lebensstil, Gewaltprävention sowie physischer und psychischer Gesundheit bei Grundschulkindern führt. Durch Anwendung eines multimodalen Gesundheitsförderungsprogramms im Rahmen des Regelschulunterrichtes von Grundschulkindern können gleichzeitig bedeutsame Wirkungen in mehreren relevanten Präventionsbereichen erzielt werden. Eine regelhafte Implementierung von Präventionsprogrammen mit multiplen Effekten in den Regelschulunterricht von Grundschulen erscheint sinnvoll und notwendig.