Gesundheitswesen 2010; 72 - P9
DOI: 10.1055/s-0030-1266517

Risikofaktorenadjustierung von Prognosemodellen zur Hochrechnung erkrankungsspezifischer Patientenanzahlen

A Angelow 1, K Fendrich 1, U Siewert 1, W Hoffmann 1
  • 1Institut für Community Medicine der Ernst-Moritz-Arndt Universität Greifswald, Greifswald

Einleitung/Hintergrund: Fallzahlprognosen sind ein wichtiges Instrument der Bedarfsplanung und Priorisierung gesundheitsbezogener Versorgungsstrukturen. Zukünftige Patientenzahlen sind von der demographischen Entwicklung und erkrankungsspezifischen Risikofaktoren abhängig. Hauptziel des Forschungsvorhabens war die Ermittlung regionalisierter risikofaktoren- und bevölkerungsstrukturadjustierter Fallzahlprognosen für Mecklenburg-Vorpommern für Myokardinfarkt- und Schlaganfallneuerkrankungen anhand bevölkerungsbezogener Daten. Methoden: Basierend auf der Study of Health in Pomerania (SHIP) erfolgte die Ermittlung der altersgruppen- und geschlechtsspezifischen Prävalenz erkrankungsrelevanter Risikofaktoren sowie die Anpassung von Modellen für die Inzidenzraten der Zielerkrankungen in einer multivariablen Poisson-Regressionsanalyse. Aufgrundlage der Inzidenzraten wurden für verschiedene Risikofaktorenkonstellationen die altersgruppen- und geschlechtsspezifischen 1-Jahres-Inzidenzraten ermittelt. Bevölkerungsprognosen für Mecklenburg-Vorpommern wurden für die Ermittlung von Fallzahlprognosen für die Jahre 2010 und 2020 herangezogen. Ergebnisse: Auf Basis der Modellrechnungen anhand des Datensatzes der SHIP-0-Basisuntersuchung sind im Jahr 2020 in Mecklenburg-Vorpommern 5331 Myokardinfarkt-Neuerkrankungen (Männer: 3311 Fälle) und 3190 Schlaganfall-Neuerkrankungen (Männer: 1835 Fälle) in den Altersgruppen von 20 bis >80 Jahren zu erwarten. Aufgrund der Bevölkerungsstrukturentwicklung ist damit in 2020 eine Steigerung der Myokardinfarkt-Gesamtfallzahl um 694 Fälle (15%) und der Schlaganfall-Gesamtfallzahl um 393 Fälle (12%) gegenüber 2010 zu erwarten. Werden stattdessen die Risikofaktorenprävalenzen aus der Follow-up-Untersuchung SHIP-1 in das Modell eingesetzt, resultiert eine geringere Zunahme der zu erwartenden Fallzahlen (Myokardinfarkt: 4066 Fälle, Schlaganfall: 2392 Fälle) für das Jahr 2020 (Altersgruppen von 25 bis >80 Jahren). Die Berücksichtigung von vier alternativen Risikofaktorenszenarien auf Grundlage der relativen Änderungen der Risikofaktorenprävalenzen zwischen Basis- und Follow-up-Untersuchung, alleiniger Veränderungen der Prävalenzen für Zigarettenrauchen sowie einer Zunahme des BMI um 2,5% und 5% führte zu einer Änderung der Fallzahlprognosen zwischen 1,7% und 8% (Myokardinfarkt) bzw. –12% und 3% (Schlaganfall). Diskussion/Schlussfolgerungen: Die Ergebnisse verdeutlichen den führenden Einfluss des demographischen Wandels auf die zukünftige Fallzahlentwicklung. Die Risikofaktorenentwicklung verstärkt den Effekt des demographischen Wandels auf die prognostizierten Fallzahlen ohne jedoch bis zum Jahr 2020 einen dominanten Effekt zu erreichen. Effektive Interventionen gegen krankheitsspezifische Risikofaktoren können den Auswirkungen des demographischen Wandels entgegenwirken.