Gesundheitswesen 2010; 72 - WS52
DOI: 10.1055/s-0030-1266433

„Schlafstörung, ach, das ist einfach ein verkehrter Rhythmus“ – Nicht medikamentöse Interventionen gegen Schlafstörungen in Pflegeeinrichtungen (eingeladener Vortrag)

G Röhnsch 1, U Flick 2, V Garms-Homolová 2
  • 1Alice Salomon Hochschule, Berlin
  • 2Alice Salomon Hochschule, Berlin

Einleitung/Hintergrund: Bei der Behandlung von Schlafstörungen gelten nicht medikamentöse Therapieoptionen meist als Mittel der ersten Wahl. Doch wie sieht das im Kontext Pflegeheim aus, wo Schlafstörungen besonders verbreitet sind und für die Betroffenen einen erheblichen gesundheitlichen Risikofaktor darstellen? Wie reagieren Pflegekräfte, wenn Bewohner tagsüber immer wieder einschlafen, nachts jedoch unruhig in den Wohnbereichen herumlaufen? Diesen und weiteren Fragen wird im Rahmen des Forschungsprojekts INSOMNIA nachgegangen, das sich mit Schlafstörungen und Multimorbidität in der stationären Langzeitpflege beschäftigt. Material und Methoden: Im qualitativen Teil dieser Studie führten wir mit N=32 Pflegekräften (Alter: 24–60 Jahre) unterschiedlicher Qualifikationsgruppen episodische Leitfadeninterviews durch. Die Studienteilnehmer wurden u.a. nach der Bedeutung von Schlafstörungen im Versorgungsalltag gefragt sowie danach, welche nicht medikamentösen Interventionen (Hausmittel, Schlafhygiene, Tagesgestaltung) sie zur Behandlung von Schlafstörungen als geeignet ansehen und wie sie deren Anwendung begründen. Die erhobenen Daten wurden fallspezifisch kategorisiert und fallübergreifend typisiert. Ergebnisse: Drei Typen von Deutungs- und Handlungsmustern lassen sich in Bezug auf „nicht medikamentöse Interventionen“ identifizieren: a) Verantwortungsabgabe – Diesen Pflegekräften sind nur wenige Handlungsoptionen bekannt, die schematisch angewandt werden. Schlafstörungen gelten weitgehend als Angelegenheit des Betroffenen. (b) Laissez faire – Diese Pflegekräfte sehen Schlafstörungen im Alter als unausweichlich an, daher „reicht es aus“, den Betroffenen Zuwendung und Geborgenheit zu vermitteln. (c) Ganzheitlicher Umgang mit Schlafstörungen – Diesen Pflegekräften sind unterschiedliche Interventionsmöglichkeiten bekannt, die flexibel und einzelfallorientiert angewandt werden. Diskussion/Schlussfolgerungen: Vielen Pflegekräften ist die Problematik, die Schlafstörungen für die meist multimorbiden Bewohner haben, nur ungenügend bewusst. Häufig gelten Schlafstörungen als unbeeinflussbar oder werden verharmlost. Nichtmedikamentöse Interventionen werden schematisch angewandt und berücksichtigen selten das breite Spektrum unterschiedlicher Ursachen von Schlafstörungen. Der Vortrag zeigt Konsequenzen für ein Schulungsprogramm auf, das an den unterschiedlichen Handlungsvoraussetzungen der Befragten orientiert ist.