Gesundheitswesen 2010; 72 - V100
DOI: 10.1055/s-0030-1266276

„Praxistransfer“ als integraler Prozess: am Beispiel der Entwicklung, Erprobung und Verwertung von Instrumenten für die Evaluation in der Gesundheitsförderung

M Interthal 1, I Jahn 2
  • 1Universität Bremen/ZWE BIPS, Bremen
  • 2Universität Bremen/BIPS, Bremen

Hintergrund: Die Transferforschung geht davon aus, dass Wissenschaft Wissen erarbeitet, welches über verschiedene Kanäle in die Praxis disseminiert wird. Je nach Selbstverständnis betrachten Wissenschaftler/innen dies als ihre eigene Aufgabe bzw. als die Aufgabe anderer Personen oder Institutionen. Neuere translationale Forschungsansätze (Lean et al. 2008) zielen auf eine engere Verbindung zwischen Forschung und Praxis. Im Evaluationsprojekt Quali-Set-Praxis (BMBF-gefördert im Rahmen der Präventionsforschung) folgen wir in der Zusammenarbeit von Wissenschaft (BIPS) und Praxis (Verein Armut und Gesundheit e.V. Mainz) dem Konzept transdisziplinärer Forschungs- und Entwicklungsprozesse (Becker/Jahn 2006). Demnach sind die Problemdefinition und die Erarbeitung von „neuem“ Wissen sowie die Verallgemeinerung/Verwertung Ergebnis eines gemeinsamen Prozesses auf Augenhöhe. In diesem Vortrag werden diese ineinandergreifenden Prozesse der gemeinsamen Wissensgenerierung beispielhaft dargestellt. Material und Methoden: Der o.g. Prozess wird am Beispiel des Transfers eines im Rahmen des Projekts Quali-Set-Praxis entwickelten und erprobten Dokumentationssystems für die Erhebung von Struktur- und Prozessparametern in ein neues Gesundheitsförderungsprojekt des Praxispartners dargestellt. Als Ort der gemeinsamen Wissensgenerierung dient ein sogenannter interner Qualitätsdiskurs. Hier treffen sich monatlich Wissenschaft und Praxis, um gemeinsam den Qualitätsentwicklungsprozess für die Gesundheitsförderungsprojekte bzw. -angebote des Praxisträgers zu gestalten. Ergebnisse: Der Transferprozess des Dokumentationssystems für das neue Projekt Street Jumper erfolgte schrittweise: (1) Integration und Sensibilisierung des neuen Projektteams in und für die trägerinterne Evaluations- und Qualitätsentwicklungskultur, (2) Einführung in vorhandene Methoden und Instrumente (3) Erprobung und Anpassung der Instrumente für das „eigene“ Projekt, (4) kritische Reflexion, (5) Optimierung und (6) Übernahme in die Praxis. Dieser Verwertungsprozess führte zugleich zu einem neuen Problemdefinitionsprozess in Bezug auf die Konzeptqualität von Gesundheitsförderungsangeboten, der zur Entwicklung eines für den Träger neuen Instruments zur Verbesserung der Angebotsqualität genutzt wurde. Schlussfolgerungen: Es kann gezeigt werden, wie – eingebettet in einen Qualitätsentwicklungsprozess – nicht nur der Transfer vorhandenen Wissens innerhalb der Praxis gelingt, sondern zugleich Prozesse zur Entwicklung neuen Wissens angestoßen werden.