Gesundheitswesen 2010; 72 - V31
DOI: 10.1055/s-0030-1266195

„Übersteuert“ der morbiditätsorientierte Risikostrukturausgleich?

D Göpffarth 1, J Wasem 2, R Wittmann 1
  • 1Bundesversicherungsamt, Bonn
  • 2Universität Duisburg-Essen, Essen

Einleitung/Hintergrund: Seit 1.1.2009 werden aus dem Gesundheitsfonds den Krankenkassen Zuweisungen zugeschlüsselt, die sich an der Morbidität der Versicherten orientieren (sog. „morbiditätsorientierter Risikostrukturausgleich“). Im Koalitionsvertrag der schwarz-gelben Bundesregierung wird ausgeführt, dass „der Morbi-RSA auf das auf das notwendige Maß reduziert, vereinfacht sowie unbürokratisch und unanfällig für Manipulationen gestaltet“ werden soll. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob der morbiditätsorientierte Risikostrukturausgleich über das notwendige Maß hinaus geht, also „übersteuert“. Methodik: Es wird unter Verwendung der von den Krankenkassen an das Bundesversicherungsamt gemeldeten Diagnosen und Ausgaben simuliert, wie die Deckungsbeiträge (Differenz zwischen Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds und tatsächlichen Leistungsausgaben der Krankenkassen) ausgesehen hätten, wenn der morbiditätsorientierte Risikostrukturausgleich 2008 bereits bestanden hätte. Über- und Unterdeckungen werden mit den Deckungsbeiträgen unter dem bis Ende 2008 geltenden „demographischen“ Risikostrukturausgleich verglichen. Die Darstellung erfolgt für Ausgabenperzentile, Cluster von Erkrankungen und nach der Morbiditätslast der Krankenkassen. Dargestellt werden auch die Deckungsbeiträge bei den Verwaltungskosten, für die ebenfalls morbiditätsbezogene Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds erfolgen. Ergebnisse: Auch unter dem Regime des morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleiches bestehen auf der Ebene der Versicherten Überdeckungen für gesunde Versicherte und solche mit geringen Ausgaben. Umgekehrt bestehen Unterdeckungen für Kranke und Versicherte mit hohen Ausgaben. Auf der Ebene der Krankenkassen zeigt sich eine mit der Morbiditätslast steigende Wahrscheinlichkeit negativer Deckungsbeiträge, die allerdings durch Sondereffekte bei ostdeutschen Regionalkassen überlagert wird. Krankenkassen mit einer höheren Morbidität der Versicherten weisen im Regelfall höhere Verwaltungskosten je Versicherten auf. Diskussion: Eine „Übersteuerung“ durch den Morbi-RSA kann auf der Ebene der Versicherten nicht festgestellt werden. Eine Orientierung der Zuweisung von Mitteln für Verwaltungsausgaben der Krankenkassen aus dem Gesundheitsfonds auch an der Morbidität trägt der Tatsache Rechnung, dass Verwaltungsausgaben teilweise wegen der Erkrankung von Versicherten anfallen.