Gesundheitswesen 2010; 72 - V16
DOI: 10.1055/s-0030-1266180

Beeinflusst die Erreichbarkeit mit Pkw und ÖPNV die Inanspruchnahme von Frauenärzten in einer Modellregion?

C Berlin 1, N van den Berg 1, K Fendrich 1, D Fredrich 1, W Hoffmann 1
  • 1Institut für Community Medicine, Universität Greifswald, Greifswald

Hintergrund: Die Inanspruchnahme von Frauenärzten sinkt mit steigendem Alter der Patientinnen deutlich ab. Durch den demographischen Wandel wird die Anzahl älterer Frauen in Zukunft deutlich ansteigen. Dies führt z.B. zu einer Erhöhung der Anzahl von Patientinnen mit Krebserkrankungen insbesondere der Brust, des Uterus und der Ovarien. Gleichzeitig werden insbesondere dünnbesiedelte ländliche Räume zukünftig mit einer Verschlechterung der Erreichbarkeit von medizinischen Einrichtungen konfrontiert sein. In dieser Analyse untersuchen wir die mögliche Abhängigkeit der Inanspruchnahme von Frauenärzten von der räumlichen Erreichbarkeit. Die Erreichbarkeit wird dabei als Pkw- und ÖPNV (Öffentlicher Personennahverkehr)-Fahrzeit bzw. Fußwegdauer zwischen den Wohnorten der Probandinnen und dem jeweils nächstgelegenen Frauenarzt operationalisiert. Material und Methoden: Die Studie verbindet (1) Daten zum Verkehrssystem (Fahrpläne, Koordinaten der Bus- und Bahnhaltestellen, routingfähige Straßendaten (Fa. Tele Atlas, Gent)), (2) Adresskoordinaten der Frauenarztpraxen und (3) Daten der prospektiven populationsbasierten Study of Health in Pomerania (SHIP-1: 5-Jahres-follow-up, 2001–2006) zur Inanspruchnahme. Die Pkw-Fahrzeit zum nächstgelegenen Frauenarzt wurde für alle SHIP-Probandinnen mithilfe von ArcGIS 9.2 berechnet. Für die Berechnung der fußläufigen bzw. ÖPNV-Erreichbarkeit aller Probandinnen wurde eine eigene Software entwickelt. Die Analyse wurde mit multivariablen logistischen Regressionsmodellen unter Adjustierung von Alter und Sozialschicht durchgeführt. Ergebnisse: Von den insgesamt 1.670 SHIP-Probandinnen (Alter: 25–88 Jahre) machten 1.558 Probandinnen Angaben zur Inanspruchnahme von Frauenärzten. Die Wahrscheinlichkeit einen Frauenarzt aufzusuchen, sinkt mit steigender Pkw-Fahrzeit (in min.) (OR=0,969; 95%-KI: 0,942–0,997), während die Anreisezeit ausschließlich zu Fuß (p=0,585) oder mit dem ÖPNV (p=0,286) keinen Einfluss auf die Inanspruchnahme hat. Unter den a priori Annahmen (max. Fußweglänge: 500m; Hinfahrt: zwischen 7 und 11 Uhr; Rückfahrt: ab 12 Uhr bis 24 Uhr) konnten 272 Probandinnen eine Frauenarztpraxis weder zu Fuß noch mit dem ÖPNV erreichen. Auch dies hatte jedoch keinen Einfluss auf das Inanspruchnahmeverhalten (p=0,319). Diskussion: Die Ergebnisse können einen Beitrag für die zukünftige Versorgungsplanung und die Entwicklung von kompensatorischen Versorgungsmodellen leisten.