Psychother Psychosom Med Psychol 2011; 61(1): 3-5
DOI: 10.1055/s-0030-1265992
Editorial
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Währung Impactfaktor – instabil und anfällig?

The Journal Impact Factor – A Stable Currency?Elmar  Brähler1 , Steffi  G.  Riedel-Heller2
  • 1Universitätsklinikum Leipzig AöR, Abteilung für Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie
  • 2Universität Leipzig, Medizinische Fakultät, Institut für Sozialmedizin, Arbeitsmedizin und Public Health
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
19. Januar 2011 (online)

Prof. Elmar Brähler

Prof. Steffi Riedel-Heller

In unserem letzten gemeinsamen Editorial haben wir an dieser Stelle unter der Überschrift „Qualität statt Quantität” auf einen Paradigmenwechsel bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) aufmerksam gemacht [1]. Dabei ging es um die neuen DFG-Richtlinien, nach denen Antragstellerinnen und Antragsteller für Forschungsförderung nur ihre 5 aussagekräftigsten und besten Arbeiten aufführen können. Die DFG wollte damit erreichen, dass diese Beiträge von den Gutachtern wieder gelesen werden und sich nicht alles Gesagte zu einer einzigen Zahl – dem Impactfaktor – verdichtet. Zudem sollte auf die missbräuchliche Verwendung von Impactfaktoren bei der Bewertung von Einzelpersonen hingewiesen werden.

Der intendierte Effekt ist ausgeblieben. Der Impactfaktor ist nach wie vor die Währung im biomedizinischen und psychosozialen Forschungskontext geblieben. Für die leistungsorientierte Mittelvergabe in den Fakultäten spielt der Impactfaktor die entscheidende Rolle [2]. Hier hat auch die Einführung des Hirsch-Faktors, der die Zitationshäufigkeiten der Arbeiten eines Wissenschaftlers und damit die Aufnahme der Arbeiten in der Wissenschaftsgemeinde reflektiert, noch zu keinen Veränderungen geführt [3].

Bereits vor nunmehr 7 bzw. 6 Jahren wurde in dieser Zeitschrift auf die Problematik der Impactfaktoren hingewiesen [4] [5]. Dennoch ist der Impactfaktor zentrales Kriterium und Aushängeschild für Zeitschriften. Unsere potenziellen Autoren schauen darauf, wie hoch der Impactfaktor der PPmP ist, um zu sehen, ob es sich „lohnt” hier zu publizieren. Unserem Verlag ist es wichtig, ob die Zeitschrift in der Konkurrenz um die Impactfaktoren neben anderen bestehen kann.

Das soll für uns Anlass sein, die momentane Platzierung der PPmP unter den deutschsprachigen psychosozialen Zeitschriften etwas näher zu beleuchten. [Tab. 1] zeigt die Impactfaktoren für deutschsprachige psychosoziale Zeitschriften 2009. Zum Vergleich sind auch die Werte der 4 vergangenen Jahre beigefügt. Wir belegen für das Jahr 2009 den 18. Platz unter 43 Zeitschriften. Mit einem Impactfaktor von 0,90 sind wir damit im Mittelfeld.

Der Impactfaktor einer Fachzeitschrift misst, wie oft Zeitschriften einen Artikel aus dieser Zeitschrift in Relation zur Gesamtzahl der dort veröffentlichten Artikel zitieren. Dabei werden Fremdzitate (d. h. Zitate in anderen Zeitschriften) und Eigenzitate unterschieden. Die PPmP belegt den Rang 12, sofern man diese Rangliste ohne Eigenzitate betrachtet (Impactfaktor ohne Eigenzitierungen PPmP 0,77). Vergleichsweise kommt z. B. die Zeitschrift für Arbeits- und Organisationspsychologie, die einen Impactfaktor von 1,19 für das Jahr 2009 hat, ohne Eigenzitierungen nur auf 0,16.

Ein Impactfaktor erscheint griffig. Die ganze Welt in einer Zahl? Es gibt viele Aspekte, welche die Komplexität der Materie deutlich machen: Acht seien im Folgenden aufgelistet:

Sehr wichtig für die Zitierungen sind die korrekten Abkürzungen. Korrekt meint in diesem Falle die Abkürzungen vom ISI (Institute for Scientific Information, heute Thomson Scientific), das die Impactfaktoren berechnet. Diese Abkürzungen weichen oft beträchtlich ab von den Abkürzungen der Bibliotheken und den Abkürzungen der Verlage. Werden die Zeitschriften in Artikeln nicht korrekt zitiert, kommt es oft vor, dass die Zitierungen auch nicht korrekt zugewiesen werden 6. So ist die Abkürzung für die PPmP mit Psychother Psych Med auch nicht besonders aussagekräftig. Die Impactfaktoren schwanken, wie man der Tabelle ansehen kann, von Jahr zu Jahr sehr stark. Die Reliabilitätsmaße der deutschsprachigen psychosozialen Zeitschriften würden keinem Test zur Ehre gereichen. Einige Zeitschriften sind dazu übergegangen, Beiträge vor dem gedruckten Erscheinen online zu publizieren, um das Wissen zeitnah zu verbreiten. Wenn zu viele Artikel über einen zu langen Zeitraum ausschließlich online (e-first) dargeboten werden, fällt die Zahl der Eigenzitierungen dieser Zeitschrift, aber auch die Zahl der Zitierungen benachbarter Zeitschriften. Das heißt, Online-Zitierungen können zum Absinken der Impactfaktoren der eigenen und benachbarter Zeitschriften führen. Namenswechsel bei Zeitschriften können sich für die Berechnung des Impactfaktors sehr problematisch gestalten. Wir haben dies bei der Zeitschrift für Klinische Psychologie, Psychiatrie und Psychotherapie, die sich 2006 in Zeitschrift für Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie umgetauft hat, erlebt. Generell problembehaftet ist für deutsche, aber auch für skandinavische Zeitschriften, der Umgang mit Umlauten und Sonderzeichen. ß, ä, ö, ü führen zu Komplikationen in den Datenbanken und zu einer Unterschätzung von Zitierungen. Adelstitel („von”) erweisen sich als ähnlich kompliziert. Die Zeitschrift Psychosomatische Medizin Psychotherapie hatte für einige Zeit in der Autorenzeile „von Autor A und von Autor B” vermerkt. Dies hat in den Datenbanken fälschlicherweise zum inflationären Anstieg von adligen Autoren geführt. Tab. 1 zeigt, dass es in den letzten Jahren zu einer vermehrten Aufnahme neuer deutschsprachiger Zeitschriften in die Impactfaktorberechnung kam. Dies wird längerfristig zu einem höheren Impactfaktor für deutschsprachige Zeitschriften führen. Die Aufnahme der teilweise schon lange darauf wartenden Zeitschriften ist erst in der letzten Zeit in Gang gekommen. Möglicherweise spielt hier die Konkurrenz von ISI durch Scopus, einer seit 2004 existierenden Zitations- und Abstractdatenbank von Elsevier eine Rolle. Scopus war sehr viel liberaler in der Aufnahme von Zeitschriften. Obwohl es Kriterien für die Aufnahme von Zeitschriften in den ISI gibt, ist hier ein großer Ermessensspielraum zu konstatieren. Der Wunsch deutschsprachige Autoren im englischen Sprachraum zu publizieren ist größer geworden. Andererseits bevorzugen niedergelassene Ärzte und Psychologen deutsche Lektüre und honorieren Weiterbildungsbeiträge. Deshalb sind eine ganze Reihe von Update-Zeitschriften entstanden. Sie machen unseren klassischen Zeitschriften große Konkurrenz. Werden wir es zukünftig mit einer Zweiteilung von Zeitschriften zu tun haben 7? Impactträchtige Zeitschriften für Autoren und up-date Zeitschriften für Leser? Manche ursprünglich deutschsprachige Zeitschriften erschienen nunmehr nur noch englischsprachig wie die Zeitschrift für Experimentalpsychologie, die Sozial- und Präventivmedizin oder die Psychologische Forschung. Ob dies der rechte Weg ist, zum Impactfaktorenerfolg zu kommen, muss sich noch zeigen. Einige Zeitschriften gehen einen kombinierten Weg, so z. B. das Deutsche Ärzteblatt, das eine englische Variante hat. Dabei werden die deutschen Beiträge kostenfrei ins Englische übersetzt. Ähnliche Varianten gibt es bei der Zeitschrift für Verhaltenstherapie, die gegen eine geringe Gebühr die Artikel in englischer Form für alle zugänglich ins Netz stellt.

Ein Blick hinter die Kulissen einer einfachen Zahl offenbart eine eher komplexe Materie mit vielen Facetten. Sollte nun für eine Zeitschrift wie die PPmP die Maximierung des Impactfaktors als oberstes Ziel sein? Eher nicht. Die PPmP lebt vom Interesse der Leser für ihre Inhalte. In diesem Sinne viel Spaß bei der Lektüre der „eigentlichen” Beiträge dieses Heftes.

Tab. 1 Impactfaktoren deutschsprachiger psychosozialer Zeitschriften 2005–2009 (in Klammer offizielle ISI Abkürzungen). 2005 2006 2007 2008 2009 Kindheit und Entwicklung (Kindh Entwickl) 1.80 2.18 4.06 4.17 4.52 Zeitschrift für Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie (Z Psychiatr Psych Ps) 1.45 0.23 0.92 0.35 1.93 Psychologische Rundschau (Psychol Rundsch) 0.83 1.09 1.14 1.70 1.80 Schmerz (Schmerz) 0.68 0.72 0.91 0.98 1.46 Kölner Zeitschrift Soziologie und Sozialpsychologie (Kolner Z Soziol Soz) 0.44 0.58 0.61 1.19 1.46 Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie(Z Kinder Jug-Psych) 0.46 0.55 0.49 0.70 1.41 Neuropsychiatrie (Neuropsychiatrie) 0.85 1.72 1.05 1.42 1.38 Zeitschrift für Personalpsychologie (Z Personalpsychol) – – 1.62 1.82 1.37 Forschende Komplementärmedizin (Forsch Komplementmed) 1.14 1.42 1.19 1.15 1.28 Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz (Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz) – – – – 1.25 Zeitschrift für Arbeits- und Organisationspsychologie (Z Arb Organ) 0.62 1.44 1.32 1.39 1.19 Psychiatrische Praxis (Psychiat Prax) 1.36 2.15 1.82 1.12 1.17 Zeitschrift für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie (Z Psychosom Med Psyc) 1.77 1.11 1.89 1.50 1.15 Zeitschrift für Soziologie (Z Soziol) 0.38 0.58 0.38 0.61 1.14 Deutsches Ärzteblatt International (Dtsch Arztebl Int) – – – – 1.10 Wiener Klinische Wochenschrift (Wien Klin Wochenschr) 0.58 0.80 0.89 0.86 0.96 Diagnostica (Diagnostica) 0.54 0.85 0.56 0.82 0.91 Psychotherapie Psychosomatik Medizinische Psychologie (Psychother Psych Med) 1.73 1.04 1.35 1.21 0.90 Zeitschrift für Pädagogische Psychologie (Z Padagog Psychol) 2.43 1.12 0.60 2.30 0.89 Verhaltenstherapie (Verhaltenstherapie) 0.46 0.52 1.14 0.73 0.89 Fortschritte der Neurologie und Psychiatrie (Fortschr Neurol Psyc) 0.80 0.55 0.58 0.79 0.80 Zeitschrift für Gerontologie und Geriatrie (Z Gerontol Geriatr) 0.54 0.51 0.30 0.69 0.80 Nervenarzt (Nervenarzt) 0.90 0.71 0.60 0.81 0.78 Psychotherapeut (Psychotherapeut) 0.32 0.52 1.01 0.80 0.73 Praxis der Kinderpsychologie und Kinderpsychiatrie (Prax Kinderpsychol K) 0.21 0.31 0.42 0.32 0.66 Gruppenpsychotherapie und Gruppendynamik (Gruppenpsychother Gr) 1.32 1.00 1.07 0.66 0.63 Zeitschrift für Klinische Psychologie und Psychotherapie (Z Kl Psych Psychoth) 0.66 0.52 0.63 0.74 0.63 Zeitschrift für Entwicklungspsychologie und pädagogische Psychologie (Z Entwickl Padagogis) 0.53 0.40 0.51 0.63 0.63 Deutsche Medizinische Wochenschrift (Deut Med Wochenschr) 0.65 0.58 0.43 0.63 0.59 Psychologie in Erziehung und Unterricht (Psychol Erz Unterr) 0.20 0.30 0.27 0.62 0.55 Gesundheitswesen (Gesundheitswesen) 0.55 0.72 0.71 0.75 0.45 Nervenheilkunde (Nervenheilkunde) 0.39 0.40 0.44 0.37 0.42 Recht und Psychiatrie (Recht Psychiatr) – – – – 0.41 Zeitschrift für Erziehungswissenschaft (Z Erziehwiss) – – – 0.55 0.34 Physikalische Medizin Rehabilitationsmedizin Kurortmedizin (Phys Med Rehab Kuror) 0.78 1.75 – – 0.33 Psyche (Psyche–Z Psychoanal) 0.52 0.20 1.01 0.42 0.31 Suchttherapie (Suchttherapie) – – – – 0.33 Ethik in der Medizin (Ethik Med) – – – – 0.30 Zeitschrift für Soziologie der Erziehung und Sozialisation (Z Soziol Erzieh Sozi) – – 0.23 0.11 0.28 Zeitschrift für Sportpsychologie (Z Sportpsychol, ab 2009) – – – – 0.27 Zeitschrift für Sexualforschung (Z Sexualforsch) – – – – 0.26 Berliner Journal Soziologie (Berl J Soziol) 0.23 0.22 0.21 0.17 0.25 Gruppendynamik und Organisationsberatung (Gruppendynamik Organ) 0.07 0.23 0.06 0.14 0.24 Zeitschrift für Evaluation (Z Eval) – – 0.04 0.08 0.20 Soziale Welt (Soz Welt) 0.33 0.27 0.16 0.23 0.20 Forum Psychoanalyse (Forum Psychoanal) 0.67 0.49 0.19 0.19 0.16 Feministische Studien (Feministische Stud) – – – – 0.04 Demnächst erhalten einen Impactfaktor: Die Rehabilitation, Zeitschrift für Gesundheitspsychologie, Zeitschrift für Neuropsychologie

Literatur

  • 1 Brähler E, Riedel-Heller S. Qualität statt Quantität – Paradigmenwechsel bei der DFG.  Psychother Psychosom Med Psychol. 2010;  60 241-242
  • 2 Brähler E, Strauss B. Leistungsorientierte Mittelvergabe an Medizinischen Fakultäten.  Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz. 2009;  52 910-916
  • 3 Brähler E, Decker O. Der Hirsch-Index.  Psychother Psych Med. 2005;  55 451
  • 4 Brähler E, Decker O. Veränderungen der Publikationspraxis der psychosomatischen / psychotherapeutischen und der medizinpsychologischen Lehrstuhlinhaber.  Psychother Psych Med. 2003;  53 502-507
  • 5 Brähler E, Beutel M, Decker O. Deep impact – evaluation in the sciences.  Soz Praventivmed. 2004;  49 10-14
  • 6 Brähler E, Decker O, Borkenhagen A. „Das Wahre, Schöne, Gute oder schöne, gute Ware?” Wenn die Ladung verschwindet – Wissenschaft als Ware.  Psyche. 2001;  55 1245-1252
  • 7 Roick C. Fachzeitschriften für Autoren und / oder Leser?.  Psychiat Prax. 2006;  33 287-295

Prof. Dr. med. Steffi G. Riedel-Heller, MPH

Institut für Sozialmedizin, Arbeitsmedizin und Public Health, Universität Leipzig, Medizinische Fakultät

Philipp-Rosenthal-Straße 55

04103 Leipzig

eMail: Steffi.Riedel-Heller@medizin.uni-leipzig.de