Thema: Kommunikation ist eine Säule der Palliativmedizin. Eine besondere Herausforderung sind Wachkoma-Patienten, bei denen Kommunikationsfähigkeit schlechthin fragwürdig wird, die aber wegen der begrenzten Lebenserwartung, der Symptomlast und der Frage der Therapiezieländerung oft palliativmedizinisch betreut werden. Das Problem der Kommunikation bei Wachkoma-Patienten soll philosophisch-ethisch analysiert werden.
Analyse: Oft werden vokale, motorische und vegetative Phänomene als Zeichen nonverbaler Kommunikation gedeutet (z.B. Stöhnen, Bewegungen, Tachypnoe) und daraus Bewusstsein abgeleitet. Doch wann immer ein Verhalten als kommunikativer Akt interpretiert wird, ist Bewusstsein schon vorausgesetzt. Denn kommunizieren heißt etwas beabsichtigen, Bedeutungen vermitteln, verstanden werden wollen: all dies ist ohne Bewusstsein nicht denkbar. Die gegenteilige Vorstellung entstammt der alltäglichen Gewohnheit Bewusstseinszustände am Verhalten und an der Wachheit abzulesen (z.B. Schlafen wird am regungslos liegenden Körper mit geschlossenen Augen abgelesen). Bei Wachkoma-Patienten dissoziieren Wachheit und Bewusstsein, und krankheitsbedingtes Reflexverhalten kann nicht ohne Weiteres als kommunikativ verstanden werden, da wir nicht wissen, ob der Betreffende bei Bewusstsein ist. Aktuell wird versucht, Bewusstsein und Kommunikation mittels bildgebender Verfahren (fMRI) zu beweisen. Ein klares Kriterium für die Präsenz von Bewusstsein und Kommunikationsfähigkeit hätte dramatische Folgen für die Ethik. Denn mit der Frage, ob ein Patient Schmerzen erleiden, Gefühlen und Gedanken haben, Beziehungen zu anderen Menschen eingehen und einen natürlichen Willen ausdrücken kann, steht und fällt die ethische Bewertung, ob lebenserhaltende Therapien fortgesetzt werden sollen oder nicht.
Schlussfolgerung: Eine systematische Aufarbeitung des Problems der Bewusstseinsvermutung bei Wachkoma-Patienten hat wesentliche Folgen für Entscheidungen über das Therapieziel.