Zeitschrift für Palliativmedizin 2010; 11 - P49
DOI: 10.1055/s-0030-1265398

Sind niedergelassene Ärzte für ihre älteren Patienten in der letzten Lebensphase auch außerhalb der Sprechzeiten erreichbar?

N Schneider 1, F Kühne 1, M Behmann 1, S Bisson 1, MG Gerlich 1, T Wernstedt 2
  • 1Medizinische Hochschule Hannover, Institut für Epidemiologie, Sozialmedizin und Gesundheitssystemforschung, Arbeitsgruppe Versorgung im letzten Lebensabschnitt, Hannover, Germany
  • 2Medizinische Hochschule Hannover, Palliativstation und Palliativmedizinischer Konsiliardienst, Hannover, Germany

Fragestellung:

(1) Sind niedergelassene Ärzte für ältere Patienten in der letzten Lebensphase bei Bedarf außerhalb der offiziellen Sprechzeiten und Notdienstregelungen erreichbar?

(2) Von welchen Faktoren hängt dies ab?

Methodik: Schriftliche Befragung von 4727 Vertragsärzten im Bundesland Niedersachsen (Rücklauf: 40%, n=1892). Eingeschlossen waren Hausärzte und Spezialisten der Fachdisziplinen Innere Medizin, Frauenheilkunde, Neurologie, Urologie, Psychiatrie und Strahlentherapie. Erfragt wurden die Erreichbarkeit außerhalb der Sprechzeiten (ja/nein; Analyse von Gruppenunterschieden) und die Gründe für bzw. gegen die Entscheidung, erreichbar zu sein (Freitext; qualitative Auswertung).

Ergebnis: 71,5% (n=1321) der Antwortenden sind nach eigenen Angaben bei Bedarf auch außerhalb der üblichen Sprechzeiten für ihre älteren Patienten in der letzten Lebensphase erreichbar. Die Bereitschaft dazu ist bei Hausärzten ausgeprägter als bei Spezialisten (81% vs. 57%; p<0,001). Eine höhere Erreichbarkeit ist außerdem gegeben bei Vorliegen der Zusatzbezeichnung Palliativmedizin (91% vs. 69% ohne), >10 Jahren vertragsärztlicher Tätigkeit (76% vs. 64% bei ≤10J.) und Praxissitz auf dem Land (78% vs. 64% in Großstadt; jeweils p<0,001). Die wichtigsten Gründe, außerhalb der Sprechzeiten erreichbar zu sein, sind die Krankheitsschwere und Bedürfnisse der Patienten sowie das ärztliche Selbstverständnis. Die Entscheidung, nicht permanent erreichbar zu sein, wird am häufigsten mit dem Wunsch nach Privatleben (z.B. „Freizeitbedarf“), dem ärztlichen Notdienst („gut organisiert“) und fehlender Zuständigkeit („bin Facharzt“) begründet.

Schlussfolgerung: Die Ergebnisse sprechen für das Selbstverständnis vieler Ärzte, für ihre älteren Patienten in der letzten Lebensphase eine hohe Erreichbarkeit sicherzustellen, auch ohne formale Erfordernis und finanzielle Anreize. Einschränkend muss von einer Verzerrung des Antwortverhaltens zu Gunsten sozialer Erwünschtheit ausgegangen werden.