Laryngorhinootologie 2011; 90(2): 99
DOI: 10.1055/s-0030-1265152
Der interessante Fall

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Schwellung im Bereich der Tonsillenregion

Tumor in the Region of the Tonsillar RegionR. E. Keerl, C. Weber, S. Passow-Seuß, H. Häuser
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Publication Date:
12 October 2010 (online)

Der Peritonsillarabszess stellt die häufigste schwerwiegende Infektion im Kopf-Halsbereich dar (P. Federspil, HNO 2009· 57: 223–229). Dabei wird die Abzesstonsillektomie in der Mehrzahl der Kliniken als Standardverfahren durchgeführt (S. Knipping, S. Löwe, C. Lautenschläger, T. Schrom HNO 2009; 57: 230–238).

Eine 49-jährige Patientin stellte sich unter der Verdachtsdiagnose eines Peritonsillarabzess mit seit 3 Wochen bestehenden Schluckbeschwerden vor. Bei der Racheninspektion zeigte sich eine Vorwölbung in der rechten Tonsillenregion bei Z. n. Tonsillektomie 1975 in Litauen ([Abb. 1]). Die Palpation ließ aber eine pulssynchrone Bewegung erkennen. Dieser Eingriff wurde damals in örtlicher Betäubung durchgeführt. Auf intensives Befragen gab die Patientin an, dass es bei dieser Operation geblutet habe, allerdings berichtete sie nicht von einer heftigen Blutung im Sinne einer Verletzung der Arteria carotis interna. Die laborchemische Untersuchung ergab eine regelrechte Zahl an Leukozyten, das CRP war im Normbereich. Somit ergab sich insgesamt kein Hinweis für eine entzündliche Genese der Veränderung.

Abb. 1 Große, mit glatter Schleimhaut überzogene Raumforderung (*) im Bereich der ehemaligen Tonsillenregion bei Z. n. Tonsillektomie vor Jahrzehnten.

Zur weiteren Diagnostik kam neben der Inspektion und Palpation die farbcodierte Duplex Sonografie sowie die Kernspintomografie infrage. Aufgrund der Pulsation des Befundes entschieden wir uns aber für eine Multiclice CT Angiografie der Arteria carotis und der Arteria vertebralis. Hier zeigte sich ein ausgeprägtes Coiling beider Arteria carotis internae. Das Coiling wird dabei im Gegensatz zum Kinking, dem arteriosklerotische Veränderungen oder eine fibromuskuläre Veränderung zugrunde liegen, als kongenitale Gefäßanomalie angesehen (S. Münks, A.Wallscheid, D. Pickuth, Laryngo-Rhino-Otol 2008; 87). Dabei ergab sich zusätzlich rechtsseitig die Ausbildung eines max. 35 mm durchmessenden teilthrombosierten Aneurysma (spurium) ([Abb. 2]). Daraufhin wurde die Patientin in unsere Gefäßchirurgie verlegt und die Entfernung des Aneurysmas geplant und durchgeführt.

Abb. 2 a, b: MS CT-Angiografie: Links in coronarer Multiplanar- und Rechts in 3D-Rekonstruktion zeigt sich das großteils thrombosierte Aneurysma mit einer Gesamtgröße von 3,5 cm.

Nach 7 cm langem Schnitt im Bereich der rechten Halsseite und nach Darstellung des Vorderrandes des M. sternocleidomastoideus wurde in die Gefäßscheide eingegangen. Es erfolgte zunächst die Darstellung der Carotisbifurkation und die sichere Identifikation der A. carotis externa mittels Darstellung der A. thyroidea superior. Nach Freipräparation des N. vagus und des N. hypglossus gelang die Darstellung des Coilings der Arteria carotis interna, an dessen medialem Pol das Aneurysma lag. Aufgrund des Coilings wurde sich dazu entschlossen, das Coiling zu resezieren und aufgrund der ausreichenden Länge der verbliebenen Stümpfe nach Einlage eines Shuntröhrchens das Aneurysma zur Vermeidung von Streuung von thrombembolischen Material erst anschließend zu resezieren ([Abb. 3]). Die Präparation des 3,5 cm großen Aneurysmas war im Bereich der Pharynxschleimhaut etwas erschwert. Am Ende der Operation wurde eine End-zu-End Anastomose der A. carotis interna mit einem zusätzlichen Patch angelegt. Nach einer vorübergehenden Schluckstörung ist die Patientin nunmehr beschwerdefrei.

Abb. 3 Darstellung des aus seiner Ursprungslage im Bereich der rechten Tonsillenregion dislozierten Aneurysmas (*). Die Pfeile markieren den Verlauf des Nervus hypoglossus. Der Kreis umschließt das craniale und caudale Ende der Arteria carotis interna.