Gesundheitswesen 2011; 73(12): 803-809
DOI: 10.1055/s-0030-1262865
Originalarbeit

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Qualitätssicherung in deutschen Krankenhäusern: „Einrichtungsübergreifende Qualitätssicherung“ im Vergleich zur „Qualitätsmessung aus Routinedaten“. Ein direkter Vergleich am Beispiel „Dekubitus“

Quality Assurance in German Hospitals – Federal Quality of Care Monitoring vs. Evaluation of Routine Clinical Data. A Head-to-Head Comparison on the Example of Pressure UlcersS. Theisen1 , A. Drabik2 , M. Lüngen2 , S. Stock2
  • 1Universitätsklinikum Aachen
  • 2Institut für Gesundheitsökonomie und Klinische Epidemiologie, Universität zu Köln
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Publication History

Publication Date:
21 September 2010 (online)

Zusammenfassung

Qualitätssicherung wurde in den vergangenen Jahren zu einem zentralen Element im Gesundheitswesen. Das in Deutschland entwickelte und für Krankenhäuser verpflichtende System der „Einrichtungsübergreifenden Qualitätssicherung“ (EQS) umfasst 29 Leistungsbereiche. Als Indikator für die Pflegequalität ist die Messung der Dekubitus-Inzidenzrate seit 2007 Bestandteil der EQS. Wie bei allen Leistungsbereichen, erfordert sie eine zusätzliche Dokumentation durch Ärzte oder Pflegepersonal. Der damit verbundene Aufwand gilt als systembedingter Nachteil. Im Gegensatz dazu entsteht bei dem in den USA entwickelten Patientensicherheitsindikator „PSI 3 – Dekubitus“ kein zusätzlicher Dokumentationsaufwand, weil diese „Qualitätssicherung aus Routinedaten“ auf zu Abrechnungszwecken kodierten Informationen basiert. Ziel der vorliegenden Untersuchung ist ein direkter Vergleich beider Methoden. Am Beispiel von Daten zur Dekubitusinzidenz einer Universitätsklinik wird analysiert, ob die Implementierung des PSI 3 machbar und sinnvoll ist. Die Ergebnisse zeigen, dass dem prinzipiell nichts entgegensteht. Alle benötigten klinischen Daten sind vorhanden. Unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten liegen die Vorteile im niedrigen Zeitaufwand und hoher Arbeitsökonomisierung. Unabdingbare Voraussetzung für die Validität der Messergebnisse ist die sorgfältige Unterscheidung und Dokumentation, ob eine Komplikation (im vorliegenden Beispiel Dekubitus) schon vor der Krankenhausaufnahme bestand oder im Krankenhaus erworben wurde. In dieser Hinsicht stellt die Dokumentationsgenauigkeit der Aufnahmediagnosen beim PSI 3 noch eine Schwäche dar: Aufnahmediagnosen sind im Gegensatz zu Entlassdiagnosen für die Abrechnung mit den Krankenkassen nicht relevant, sodass die Tendenz zu einer schlechteren Dokumentationsqualität besteht. In den USA und Australien wurde dieses Problem durch eine zusätzliche Kennzeichnung der Aufnahmediagnosen („present on admission“) gelöst. Zusammenfassend zeigt die vorliegende Untersuchung, dass Qualitätssicherung aus Routinedaten grundsätzlich im deutschen Krankenhaussystem umsetzbar ist. Weitere Evaluation sollte angestrebt werden.

Abstract

Quality assurance is a backbone for the provision of health care. This has lead to the introduction of systems to evaluate and improve patient care. Currently, a 29-category monitoring is mandatory for all German hospitals (EQS, Einrichtungsübergreifende Qualitätssicherung). Since 2007, the incidence rate of pressure ulcers as an indicator for quality of care has been incorporated. A concern associated with the EQS is the requirement for active data entry by doctors and nurses, whereas the US-based patient safety indicator “PSI 3 – pressure ulcer” relies on routine clinical data without the need for additional documentation. In this study, we perform a head-to-head comparison of the 2 methods and analyze the feasibility of implementing the PSI 3 system in German hospitals on the example of pressure ulcer incidence in a German academic hospital. Our analysis shows that the usage of the PSI 3 is feasible. In particular, all clinical data are readily available. Critical advantages of the PSI 3 include the low time consumption and the positive economic impact due to increased work-flow. A prerequisite for the accuracy of the PSI 3 is the careful distinction and documentation of whether a condition (in our case: pressure ulcers) is pre-existing or hospital-acquired. In this regard, the accurate documentation of admission diagnoses is a potential weakness because these are not essential for reimbursement from health insurances and thus tend to be less well documented. In the US and Australia this problem has been addressed by introducing “present on admission” tabs into patient records. In conclusion, our study demonstrates that the usage of a quality assurance system based on routinely acquired clinical data in German hospitals is feasible, and encourages further evaluation.

Literatur

1 Die „Bundesgeschäftsstelle Qualitätssicherung“ (BQS) führte die EQS seit ihrer Implementierung bis zum Jahresende 2009 durch. Im Rahmen einer europaweiten Ausschreibung wurde der Auftrag ab dem Jahr 2010 an das AQUA-Institut vergeben. Die bekannte Methodik wird zunächst fortgeführt. Parallel arbeitet das AQUA-Institut an einer Weiterentwicklung in Richtung sektorübergreifender Qualitätssicherung. Künftig wird das AQUA-Institut daher unter „SQG“ (sektorübergreifende Qualität im Gesundheitswesen) veröffentlichen. Die BQS firmiert seit dem 1.1.2010 als „Institut für Qualität und Patientensicherheit“.

Korrespondenzadresse

S. Theisen

Universitätsklinikum Aachen

Pauwelsstraße 30

52074 Aachen

Email: stheisen@ukaachen.de