Der Klinikarzt 2010; 39(5): 261
DOI: 10.1055/s-0030-1262376
Forum der Industrie

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart ˙ New York

Interview – Internistische Schmerzstandards: Alle profitieren

Further Information

Publication History

Publication Date:
12 July 2010 (online)

 

Die Schmerztherapie in der Klinik ist ein komplexes interdisziplinäres und interprofessionelles Zusammenspiel. Für ein optimales Schmerzmanagement eines Patienten bedarf es einer gemeinsamen, einheitlichen und effizienten Vorgehensweise der Ärzte und Pflegenden. Implementierte internistische Schmerzstandards führen zu Struktur- und Prozessoptimierungen. Zusammen mit der medikamentösen Therapie sind sie der Schlüssel für eine erfolgreiche Schmerzbehandlung. Wie internistische Standards zur Schmerztherapie eine Orientierungshilfe im klinischen Alltag bieten, erläutert Dr. Stephan Schulz, Chefarzt am Marien-Hospital, Witten.

Stephan Schulz

? Herr Dr. Schulz, welchen Stellenwert hat Ihrer Meinung nach die Schmerztherapie in der Klinik?

Dr. Stephan Schulz: Die Schmerztherapie in der Klinik wird oft unterschätzt. Meist ist es das Leitsymptom Schmerz, das Patienten zum Arzt oder ins Krankenhaus führt. In erster Linie müssen die Schmerzursachen behandelt werden, die vital bedrohlich sind. Jedoch wird der Schmerz im Rahmen der Erkrankung oft vernachlässigt. Auch wird zu wenig berücksichtigt, dass eine gute Schmerztherapie den Genesungsprozess fördert, was wiederum mit einer kürzeren Liegedauer, einer reduzierten Mortalität und Morbidität einhergeht. Darüber hinaus ist eine gute Schmerztherapie ein Aushängeschild für die Klinik. In Zukunft wird es so sein, dass die Krankenkassen Kliniken empfehlen, die eine gute Ergebnisqualität in der Schmerztherapie vorweisen können. Da Schmerztherapie häufig sehr komplex ist, sind Strukturen wichtig, die den Arzt und Pflegenden bei der Behandlung unterstützen.

? Sie haben unter Anderem einen Standard zur Schmerztherapie bei Tumorerkrankungen entwickelt. Zudem wurden noch Experten-Standards für neuropathische, viszerale und Bewegungsschmerzen sowie für geriatrische Patienten von Ihnen und Kollegen anderer Kliniken formuliert und erfolgreich umgesetzt. Warum ist die Etablierung solcher Standards für Ihre und andere Kliniken so wichtig?

Schulz: Schmerzstandards geben eine Anleitung, wie eine effektive Schmerztherapie frühzeitig begonnen und erfolgreich fortgesetzt werden kann, die individuelle Betrachtung des Patienten stets vorausgesetzt. Da Abläufe und Zuständigkeiten in den Standards als Orientierungshilfe genau niedergeschrieben sind, werden auch Prozesse optimiert. Nicht nur innerhalb einzelner Stationen, sondern auch stationsübergreifend werden sie schneller, effektiver und transparenter. Die Schmerzanalyse und die Therapie werden dabei ebenso berücksichtigt wie die kontinuierliche Evaluation durch Schmerzerfassung und Dokumentation, Verfahren bei der Patientenaufnahme und -entlassung aus der Klinik. Die Pflege erfährt eine Kompetenzsteigerung, da sie im Rahmen von Interventionsgrenzen dem Patienten selbstständig eine zuvor festgelegte Medikation geben darf. Für den Arzt bedeutet dies Entlastung und Zeitersparnis. Der Patient profitiert, da er zum Beispiel zügiger mit adäquaten Analgetika versorgt wird.

? Bei der Etablierung von Schmerzstandards ist die medikamentöse Schmerztherapie ein wesentlicher Pfeiler. Welche Aspekte, die Sie in ihren Standards formuliert haben, halten Sie für besonders wichtig?

Schulz: Die Analgetika sollten effektiv und gut verträglich sein. Die orale Therapie ist dabei stets zu bevorzugen. Auch ist es meist nicht mehr zeitgemäß, das WHO-Stufenschema der Reihe nach zu durchlaufen. Wenn langfristig starke Schmerzen zu erwarten sind, sollte direkt mit einem niedrig dosierten starken Retard-Opioid behandelt werden. Die Dosis kann bei Bedarf gesteigert werden, ohne dem Patienten einen Substanzwechsel zuzumuten. Vor der Opioid-Therapie sollte der Patient darüber aufgeklärt werden, welche Nebenwirkungen auftreten können. Andernfalls leidet die Compliance. Stark wirksam und sehr gut verträglich ist Targin®, die Kombination aus retardiertem Oxycodon und retardiertem Naloxon, die ich in den Standards als Beispiel aufgeführt habe. Treten Durchbruchschmerzen auf, sollte eine Bedarfsmedikation desselben Wirkstoffs eingesetzt werden, wie zum Beispiel in diesem Fall nicht-retardiertes Oxycodon. Wenn im Verlauf einer Tumorerkrankung die Schmerzen schnell sehr stark werden, kann zudem die Sondengängigkeit der Medikation eine große Rolle spielen. Palladon® hat beispielsweise den Vorteil, dass bei Patienten mit Schluckstörungen die Kapsel geöffnet und die Pellets auf Pudding oder Joghurt gestreut werden können. Die Retardierung bleibt erhalten. Auch die Gabe über eine Magensonde ist möglich. So kann der Patient bei der enteralen Einnahme bleiben, bevor er auf eine Injektionslösung desselben Wirkstoffs umgestellt wird. Da es Palladon® in unterschiedlichen Darreichungsformen gibt, können umstellungsbedingte Nebenwirkungen reduziert werden.

? Insgesamt profitieren alle an der Schmerztherapie Beteiligten. Was sind die konkreten Vorteile, die ein Schmerzstandard für Patienten, Ärzte, Pflegende und die Klinik insgesamt bietet?

Schulz: Durch angewandte Schmerzstandards erfahren Patienten eine gut koordinierte und bessere Schmerzkontrolle und damit mehr Lebensqualität. Die Ärzte und Pflegenden können den Patienten schneller adäquate Therapien anbieten und auf dessen Bedürfnisse reagieren. Die Pflegenden haben klare Handlungsanweisungen. Alle beteiligten Ärzte und Pflegekräfte gewinnen durch die Richtlinien an Sicherheit, die Zusammenarbeit wird einfacher, reibungsloser und effizienter. Auch die Behandlung an den Schnittstellen zur ambulanten Versorgung wird durch zunehmende Transparenz optimiert. Zudem kann die Krankenhausverweildauer reduziert und damit Kosten gespart werden. Insgesamt helfen Schmerzstandards die Qualität der Schmerztherapie in den Kliniken zu verbessern, was für die einzelnen Kliniken mit einem großen Imagegewinn verbunden ist.

Mit freundlicher Unterstützung von Mundipharma, Limburg (Lahn).