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DOI: 10.1055/s-0030-1261608
Multizentrische Studie: Metabolische Azidosen, Ernährung und Wachstum von VLBW-Frühgeborenen
Einleitung: VLBW-Frühgeborene (FG) haben ein hohes Risiko für Wachstumsretardierung, die im Zusammenhang mit metabolischen Azidosen (MA) auftreten kann. MA entstehen durch erhöhte endogene Säureproduktion bei inadäquater Komposition der Nahrung und katabolen Stoffwechselprozessen, wenn Puffersysteme erschöpft werden. In einer aktuellen Studie von enteral ernährten FG war die Inzidenz von MA mit 26% der untersuchten Frühgeborenen überraschend hoch. Diese Inzidenz und die entsprechend häufig geübte Praxis der NaHCO3/Na-Citrat Substitution wurde von einigen anderen Perinatalzentren bestätigt. Betroffen waren vor allem FG unter 1500g.
Da es bisher keine größeren Daten zur Inzidenz von MA bei FG gibt, war das Ziel dieser Studie die Analyse der Inzidenz von MA in FG (ernährt mit Muttermilch und Formula). Methoden: Retrospektive Studie an fünf Perinatalzentren der Geburtsjahrgänge 2005–2006, eingeschlossen wurden alle FG (N=604) ohne abdominale Erkrankungen und Operationen. MA war definiert als Base-Exzess <-6mmol/l oder Standardbikarbonat <18mmol/l. Analysiert wurden Zeiträume mit enteraler Nahrungszufuhr ≥150ml/kg/d. MA vor und unter Antibiotikatherapie wurden nicht berücksichtigt.
Ergebnisse: 70% (N=424) der 604 analysierten FG hatten mindestens einmal eine Blutgasanalyse unter enteraler Ernährung (≥150ml/kg/d). 86 von 443 FG (20%) hatten eine MA (bei sehr unterschiedlicher Erfassung Variation im Bereich von 5%-32% zwischen den Zentren). Bei Jungen wurde häufiger (24%) eine MA als bei Mädchen (16%) ermittelt. Kinder mit Azidosen wurden zu 76% mit Muttermilch, zu 15% mit Formula-Nahrung und zu 9% mit Muttermilch und Formula ernährt. Bei Kindern ohne Azidosen waren es: Muttermilch 61%, Formula: 27%, Muttermilch und Formula: 12%.
Der Median des Wachstums war in der MA-Gruppe im Vergleich zu den FG ohne MA niedriger (16,4, IQR (10,4; 19,6)g/kg/d vs. 18,4 IQR (13,8; 22,0)g/kg/d, p=0,003). Diskussion: Eine Inzidenz für MA bei FG von 20% bei großer Interzentrum Variation ist wegen des Einflusses von MA auf das Wachstum nicht akzeptabel. Da ein Routinescreening auf MA bei vollständig enteral ernährten FG nicht erfolgte (30% der Frühgeborenen ohne Blutgasanalyse), ist die tatsächliche Inzidenz von MA möglicherweise noch größer. Zur Verbesserung des Wachstums von FG werden vor allem Strategien zur Erhöhung der Substratzufuhr (vor allem Protein) diskutiert. Vermutlich besteht neben einer höheren Substratzufuhr auch in der Optimierung des Säure-Base-Haushalt ein großes Potential zur Verbesserung des Wachstums. Aktuelle Ernährungskonzepte sollten hinsichtlich der potentiellen renalen Säurelast überdacht werden. Um in der Routine belastende Blutabnahmen zur Untersuchung auf MA zu vermeiden, könnte vielmehr ein Screening des Urin pH (z.B. 2x/Woche), als Indikator für die maximale renale Säurestimulation (pH<5,4) und dem damit verbundenen Risiko für MA bei FG, durchgeführt werden.