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DOI: 10.1055/s-0030-1261589
Unterarmgangrän und Hirninfarkt bei „normaler“ Gerinnung: Homozygoter Antithrombin III – Mangel Typ II (Budapest)
Hintergrund: Bei Neugeborenen können sich eine Reihe von signifikanten Gerinnungsstörungen hinter einer scheinbar normalen Globalgerinnung verbergen. So liegt etwa beim Typ II des kongenitalen Antithrombin III (AT) – Mangels ein dysfunktionelles Protein vor, sodass die AT-Aktivität im Standardassay in vitro normal erscheint, obwohl sie in vivo deutlich herabgesetzt ist. Wir berichten über ein Neugeborenes mit schwersten Zeichen einer Thrombophilie, bei dem sich der zugrundeliegende kongenitale AT-Mangel erst über direkte Aktivitätsmessung und Genanalyse feststellen ließ. Fallbericht: Eutrophes, reifes, männliches Neugeborenes, Spontanpartus mit Armvorfall. Unmittelbar postnatal bestand eine ausgedehnte livide Verfärbung des rechten Unterarmes mit zunächst scheinbar spontaner Rückbildungstendenz, am Folgetag jedoch zunehmende gangränöse Demarkation des Unterarmes. Zusätzlich fiel schädelsonographisch ein großer rechtshemispherischer Infarkt auf. Im MRT Nachweis des arteriellen Verschlusses großer Teile des Stromgebietes der Aa. cerebri media und anterior rechts. Gerinnungslabor mit altersentsprechenden Werten für Quick (60,5%), Thrombinzeit (TZ, 21,4s.), partielle Thromboplastinzeit (PTT, 33,4s.), Fibrinogen (2,28g/l), Protein C (39,8%), Protein S (68,4%). AT (20%) etwas erniedrigt, D-Dimere (>35,3mg/l) stark erhöht. Ausschluss einer bakteriellen Infektion. Echokardiographisch keine intrakardialen Thromben. Wegen des frischen Hirninfarktes Kontraindikation zu systemischer oder lokaler Lyse, daher nur niedrig dosierte Heparinisierung mit zusätzlicher Substitution von Frischplasma und Antithrombin III. Dennoch musste der rechte Arm im Ellenbogengelenk amputiert werden. Es entwickelte sich eine linksseitige Hemisymptomatik. Unter Dauertherapie mit Warfarin (INR 2–3) traten innerhalb des ersten Lebenshalbjahres keine weiteren thromboembolischen Ereignisse auf. Die ausführliche Diagnostik ergab einen genetisch bestätigten AT-Mangel Typ II (Budapest) mit homozygoter Mutation im Antithrombin III Gen SERPINC1 (c.391C>T p.L99F) beim Kind, die Eltern waren beide heterozygot für diese Mutation. Diskussion: Die Verteilung der Läsionen lässt sich durch eine gekreuzte Embolie über das perinatal offene Foramen ovale erklären, alternativ ist auch eine traumatische Gefäßläsion im Rahmen der Lageanomalie denkbar. Die initiale Gerinnungsdiagnostik war insofern irreführend, als das nur grenzwertig erniedrigte Antithrombin III den schweren kongenitalen Gerinnungsdefekt nicht korrekt anzeigte. Schlussfolgerung: Bei klinisch schwerer Gerinnungsstörung des Neugeborenen können durch frühzeitige Gabe von Frischplasma auch solche Faktoren substituiert werden, deren Fehlen in der Globalgerinnung evtl. nicht sofort diagnostizierbar ist.