Klin Padiatr 2010; 222 - GNPI_PO_59
DOI: 10.1055/s-0030-1261524

Sehr früher plötzlicher Kindstod –2 Fallberichte

M Schmid 1, M Krüger 1, R Hentschel 1
  • 1Universitäts – Kinderklinik, Freiburg

Fall 1: Ein reifes Neugeborenes, erstes Kind einer 40-jährigen Erstgravida, wurde nach unauffälliger Schwangerschaft und primärer Sektio bei Beckenendlage mit problemloser postnataler Adaptation im Alter von 18h nachts leblos von der Mutter entdeckt. Das Mädchen hatte im Bett der Mutter auf deren Arm geschlafen. Die unmittelbar begonnene kardiopulmonale Reanimation war erfolgreich, das Mädchen zeigte aber weder im Anschluss an das Ereignis noch nach einer 72-stündigen kontrollierten Hypothermie eine Spontanatmung. Der erste pH nach Beginn der Reanimationsmaßnahmen betrug 6,54 (BE -35mmol/l). Die Suche nach einer organischen oder infektiösen Ursache für den Kreislaufstillstand blieb erfolglos, es traten neben der ZNS-Symptomatik keine Organausfälle auf. Im Verlauf von zwei Wochen zeigte sich zunächst ein stark deprimiertes EEG, dann ein burst-suppression-Muster. Klinisch konnten zu keiner Zeit Hirnstammreflexe ausgelöst werden, Spontanmotorik oder Eigenatmung fehlten auch im Apnoetest. Die Therapie wurde im Konsens mit den Eltern beendet, die forensische Obduktion blieb ohne wegweisenden Befund. Fall 2:

Ein reifes Neugeborenes wurde nach unauffälliger Primäradaptation während der Versorgung der Episiotomie auf dem Bauch der Mutter liegend leblos entdeckt. Die unmittelbar eingeleitete kardiopulmonale Reanimation ist erfolgreich, das Kind wird zur weiteren Überwachung und Therapie in unsere Klinik verlegt. Der Verlauf ist mild, das Kind kann ohne neurologische Symptomatik nach einer Woche aus der Kinderklinik entlassen werden. Auch hier findet sich keine Ursache für den Kreislaufstillstand. Literaturübersicht: Der sehr frühe plötzliche Kindstod bzw. das sehr frühe ALTE (definiert als Tod bzw. lebensbedrohliches Ereignis ohne erkennbare Ursache und nach problemloser postnataler Adaptation bis zur Verlegung aus dem Kreißsaal, innerhalb der ersten 12 Stunden oder bis zur Entlassung aus der Geburtsklinik) ist ein seltenes Ereignis, gleichwohl wurden mehrere Fallserien in jüngster Zeit publiziert. Betroffen waren überwiegend Erstgeborene, die auf dem Bauch oder im Bett der Mutter lagen und nicht gesondert überwacht wurden. In einer britischen randomisierten Studie konnte gezeigt werden, dass das „bed-sharing“ in der Geburtsklinik die Häufigkeit atemwegsgefährdender Situation im Vergleich zum freistehenden eigenen Bett oder zum ans Bett der Mutter seitlich angehängten eigenen Bettchen deutlich erhöht ist, während die Anlegehäufigkeit lediglich im freistehenden Bett deutlich geringer war als bei den anderen beiden Schlafplätzen. Schlussfolgerung: Möglicherweise liegt dem sehr frühen plötzlichen Kindstod eine andere Pathophysiologie zugrunde als dem klassichen plötzlichen Kindsotd mit dem Altersgipfel um den dritten Lebensmonat. Wir hypothetisieren, dass eine Verlegung der Atemwege und Hyperthermie beim engen Kontakt zwischen Mutter und Neugeborenem, wie er insbesondere zur Förderung des Stillens propagiert wird, eine kausale Rolle beim sehr frühen plötzlichen Kindstod spielen. Vor allem unerfahrene Mütter, erschöpft und womöglich unter dem Einfluss von Analgetika, sind mit der „Vitalüberwachung“ ihrer Neugeborenen im Einzelfall überfordert. Daraus ergeben sich Handlungsansätze, um das Risiko für den frühen SIDS zu reduzieren: Verstärkte Aufmerksamkeit des Kreißsaal-Personals, Vermeidung von Bed-Sharing, konsequente Umsetzung der Empfehlungen zur SIDS-Prophylaxe bereits in der Geburtsklinik.