Klin Padiatr 2010; 222 - GNPI_FV_64
DOI: 10.1055/s-0030-1261399

Therapierefraktäre arterielle Hypotension infolge Intoxikation mit Quetiapin und Escitalopram – Therapie mit Terlipressin und Vasopressin

B Kampschulte 1, D Klauwer 1, D Faas 1, M Heckmann 1
  • 1Abteilung für Allgemeinpädiatrie und Neonatologie, Zentrum für Kinderheilkunde und Jugendmedizin, Uniklinikum Gießen und Marburg, Standort Gießen, Gießen

Hintergrund: Im Gegensatz zu trizyklischen Antidepressiva (TAD) sind Intoxikationen mit atypischen Neuroleptika oder selektiven Serotoninwiederaufnahmehemmern nur episodisch mit schwerwiegenden kardialen- oder Kreislaufeffekten vergesellschaftet. Berichte über das Auftreten einer therapierefraktären arteriellen Hypotension bei Intoxikation mit Quetiapin und Escitalopram bei Adoleszenten oder Erwachsenen fehlen bislang. Zwei Fallberichte erwähnen den Einsatz von Terlipressin bzw. Vasopressin bei Erwachsenen mit TAD-Intoxikation und therapierefraktärer arterieller Hypotension. Fallbericht: Wir berichten über eine 17 jährige Patientin mit bipolarer Persönlichkeitsstörung, die nach Einnahme von 10g Quetiapin, 200mg Escitalopram, 10mg Lorazepam und 16g Ibuprofen in suizidaler Absicht bewusstlos aufgefunden wurde (GCS 3, daher Intubation und Beatmung). Im Verlauf traten Krampfanfälle auf, welche auf die Applikation von Midazolam (15mg) und Phenobarbital (1000mg) sistierten. Vier Stunden nach Intoxikation trat eine volumen- und katecholamintherapierefraktäre arterielle Hypotension (47/27 (35)mmHg, ZVD13mmHg) mit Azidose (pH7,17, BE-12mmol/l, Laktat>20mmol/l; Ausgleich mit Natriumhydrogencarbonat und Trometamol) auf. Außerdem fielen EKG-Veränderungen (verbreiterte QRS-Komplexe, verlängerte PQ-Zeit mit R auf T Phänomen, selbstlimitierende ventrikuläre Salven) auf. Trotz Adrenalin- (bis 0,6mg/kg/min) und Noradrenalindauerinfusion (bis 2,3mg/kg/min) und echokardiographisch guter Herzfunktion konnte keine suffiziente Kreislaufsituation hergestellt werden. Daher wurde eine Vasopressindauerinfusion (bis 0,24IE/kg/h) begonnen, (90/33 (54)mmHg), unter zusätzlicher Terlipressindauerinfusion (bis 6mg/kg/h) stieg der Blutdruck an (110/50 (69)mmHg). Die kreislaufunterstützende Therapie konnte vier Tage nach Aufnahme beendet werden (Adrenalin nach 12h, Noradrenalin 74h, Vasopressin 24h, Terlipressin 88h). Infolge der stattgehabten Minderperfusion trat ein TNI-Anstieg (59mg/l) und ein polyurisches Nierenversagen auf. Pulmonale Probleme bestanden nicht. Nach Extubation (36h nach Aufnahme) besserte sich die Vigilanz rasch. Im Maximum der Intoxikation war für 24Stunden ein tiefstes Koma (EEG: Alpha Wellen Koma) aufgetreten. Das CCT nach Auftreten von Krampfanfällen und nach weiteren 12 Stunden zeigte jeweils unauffällige Befunde. Bei Verlegung in die Psychiatrie präsentierte sich die Patientin ohne Hinweise auf neurologische Residuen. Schlussfolgerung: Auch unter Mischintoxikation mit Quetiapin kann eine therapierefraktäre arterielle Hypotension mit schwerster Kreislaufinsuffizienz auftreten. Vasopressin und Terlipressin können als Agonisten an V1A- und V2-Rezeptoren bei Adoleszenten als potenter Vasopressor bei katecholaminrefraktärer arterieller Hypotension infolge Intoxikation mit Alpha1-Adrenozeptor-Antagonisten eingesetzt werden.