Neuroradiologie Scan 2011; 1(1): 8-9
DOI: 10.1055/s-0030-1256899
Diskussion

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Hirnmetastasen – Neue MRT-Sequenz mit besserer Trefferquote

Für die Diagnose von Hirnmetastasen wird häufig ein 3-D-T1-gewichtetes GRE-MRT (GRE = Gradienten-Echo) verwendet, bei dem allerdings auch Blutgefäße mit Metastasen verwechselt werden können. E. Nagao et al. versuchten nun, das Signal von Blutgefäßen mittels MSDE-Präparation (MSDE = Motion-Sensitized Driven-Equilibrium) zu unterdrücken.
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
10. Oktober 2011 (online)

AJNR Am J Neuroradiol 2011; 32: 664–670

Die Studie bestand aus 3 Teilen: Zunächst ermittelten die Autoren bei 2 gesunden, freiwilligen Männern (33 und 45 Jahre) die besten Parameter für das TSE-MSDE-MRT (TSE = Turbo-Spin-Echo). In einem nächsten Schritt verglichen sie die Bildqualität der TSE-MSDE-Sequenz mit der Bildqualität herkömmlicher Sequenzen. Ihr Augenmerk legten sie hierbei vor allem auf die Anzahl visualisierter Blutgefäße und das Kontrast-Rausch-Verhältnis zwischen Metastasen und normalem Hirngewebe. Aus den MRT von Patienten mit vermuteten Hirnmetastasen bauten die Autoren in der Folge eine Datenbank aus 259 MRT-Untersuchungen von 227 Patienten auf. Dabei waren die Untersuchungen auf 3 Arten erfolgt, nämlich als GRE-Sequenzen sowie als TSE-Sequenzen mit und ohne MSDE. Im letzten Schritt wählten die Autoren von Patienten mit 1 bis 9 Läsionen 17 (12 Männer und 5 Frauen) mit insgesamt 50 Läsionen aus und legten diese 9 verblindeten Radiologen mit unterschiedlicher Berufserfahrung zur Befundung vor.

Auf der Basis der Freiwilligenuntersuchungen entschieden sich die Autoren für einen Velocity-Encoding-Wert von 10,8 mm/s. Im 2. Schritt der Studie waren im MSDE-Modus signifikant weniger Blutgefäße zu visualisieren als in den beiden anderen Modi. Sowohl TSE mit MSDE als auch TSE ohne MSDE zeigten ein signifikant höheres Kontrast-Rausch-Verhältnis als das GRE-MRT. Zwischen den beiden ersten Sequenzen fand sich kein signifikanter Unterschied. Bei allen 9 Radiologen ergab sich mit dem TSE-MSDE eine signifikant höhere Sensitivität als mit dem GRE; auch die Auswertungszeit der Aufnahmen war signifikant kürzer (55,7 vs. 73,9). Allerdings lagen auch die falsch-positiven Ergebnisse pro Patient mit dem TSE-MSDE signifikant höher. Die Kombination aus TSE-MSDE und GRE führte zu einer signifikant höheren Sensitivität bei ähnlicher Falsch-positiv-Rate und Befundungszeit wie mit der GRE-MRT alleine.

Fazit

Eine TSE-MSDE-MRT verbessert die diagnostische Ausbeute bei der Suche nach Hirnmetastasen, indem sie das Signal von Blutgefäßen unterdrückt und das Kontrast-Rausch-Verhältnis steigert, kann aber auch die Rate falsch-positiver Befunde erhöhen. Die Kombination mit der GRE-MRT erhöht noch einmal die diagnostische Potenz bei niedriger Falsch-positiv-Rate, so die Autoren.

Dr. Johannes Weiß, Bad Kissingen

1. Kommentar

Prof. Marco Essig

Abteilung Neuroradiologie

Universitätsklinikum Erlangen

Schwabachanlage 6

91054 Erlangen

Aufgrund neuer therapeutischer Ansätze und zur besseren lokalen Kontrolle sind die Detektion und auch die zuverlässige Zählung zerebraler Metastasen für das therapeutische Management und die Therapieplanung der Patienten von wesentlicher Bedeutung. In den letzten Jahren kommen aufgrund des besseren Bildkontrastes, der besseren räumlichen Auflösung und der breiteren Verfügbarkeit leistungsfähiger MRT-Scanner zunehmend hochauflösende T1-GRE- oder schnelle Spin-Echo-Sequenzen, meist in 3-D-Technik, für die kontrastangehobene Phase zum Einsatz. Parallel wird durch die NSF-Diskussion eher eine geringe Kontrastmitteldosis eingesetzt.

Insbesondere durch den Einsatz der GRE-Sequenzen ergeben sich Probleme durch das ebenfalls hohe Signal von Gefäßen, welches die Differenzierung dieser von „richtigen” Läsionen (Metastasen) erschwert. Das Lesen solcher Bilder bedarf einer langen diagnostischen Erfahrung und sehr guter anatomischer Kenntnisse, und dennoch kann es schwierig sein, Gefäße als falsch-positive Läsionen von Metastasen zu differenzieren.

Der im Artikel von Nagao et al. vorgestellte Ansatz einer 3-D-FSE-Sequenz mit Unterdrückung der Gefäßstrukturen durch eine sogenannte „Black-Blood”-Technik ist interessant, kann die Probleme jedoch auch nicht vollständig lösen. Insbesondere der unterschiedliche Blutfluss in den Gefäßen erlaubt keine einheitliche Unterdrückung, wodurch den Autoren zufolge, insbesondere bei noch unerfahrenen Lesern, die Rate der falsch-positiven Ergebnisse ansteigt. Zwar erlaubt die vorgestellte Methode eine hohe Detektionsrate bei hervorragenden Kontrastwerten und erleichtert und beschleunigt die Befundung, die beste diagnostische Aussage kann jedoch nur in Kombination mehrerer Techniken erbracht werden; in diesem Falle FSE mit GRE.

Zusammengefasst macht der Einsatz einer Gefäßunterdrückung Sinn, insbesondere, wenn mit dem gewählten Sequenztyp die besten Kontrastwerte erzielt werden können.

Hier stellt sich natürlich die Frage, wie viel Untersuchungszeit man den Patienten zumuten kann (pro zusätzlicher Sequenz ca. 7 – 8 min längere Messzeit) und welches der wirkliche diagnostische Gewinn des kombinierten Einsatzes ist und in welcher Konstellation sich ein solcher kombinierter Einsatz empfiehlt. In der Studie handelt es sich um Patienten mit multiplen Metastasen, bei welchen die Frage nach der exakten Anzahl teilweise als „akademisch” einzustufen ist, ohne das therapeutische Vorgehen signifikant zu beeinflussen.

Der Einsatz einer Gefäßunterdrückung macht Sinn, insbesondere, wenn mit dem gewählten Sequenztyp die besten Kontrastwerte erzielt werden können. Sie ist sicherlich eine sehr gute Alternative zu den bislang verfügbaren Sequenzen und kann bei Patienten mit multiplen Metastasen, bei welchen nur eine systemische Therapie oder Ganzhirnbestrahlung infrage kommt, als alleinige Methode eingesetzt werden. Bei kritischen Fällen lohnt sich die Investition einer Kombination mit einer konventionellen GRE-Technik, da hier die höchste Sensitivität erreicht werden kann.

Voraussetzung für eine adäquate Diagnostik bleibt jedoch weiterhin die Erfahrung des Untersuchers und die sehr guten anatomischen Kenntnisse der Gefäßarchitektur. Inwiefern die Adaptation der Kontrastmitteldosis oder der Einsatz kontrastverstärkender Techniken, wie z. B. der Magnetization-Transfer-Kontrast, einen Einfluss auf die Ergebnisse haben wird nicht untersucht, ist jedoch sicher ein wichtiger Punkt in der weiteren Diskussion.

2. Kommentar

Prof. Elke R. Gizewski

Abteilung Neuroradiologie, UKGM

Justus-Liebig Universität Giessen

Klinikstr. 33

35385 Giessen

Der vorliegende Artikel stellt eine interessante Untersuchung zum Einsatz einer TSE-MSDE-Sequenz in der Beurteilung von zerebralen Metastasen vor. Positiv zu bewerten ist eine bisher wenig in einem Bereich eingesetzte Sequenz für einen neuen Ansatz zu testen. Auch die große Anzahl an auswertenden Radiologen, die sowohl in der Ausbildung als auch Fachärzte waren, ist eine gute Möglichkeit, Sequenzen und deren Auswertung unter Einbeziehung des Wissensstands zu analysieren. Obwohl es hier teilweise Unterschiede gab, werden die Ergebnisse für wichtige Parameter, wie die Sensitivität sehr kleine Metastasen zu erkennen, aber wieder neu zugeordnet und zusammengefasst.

Bleibt man bei dem klinisch durchaus kritischen Punkt, Metastasen früh zu erkennen, also sehr kleine Metastasen nachzuweisen, ist die Arbeit leider etwas wenig fokussiert. Der Hauptpunkt der Autoren ist der Einfluss von kontrastmittelanreichernden Gefäßen als mögliche falsch-positive Befunde in der häufig verwendeten MPRAGE. Es ist sicher nicht falsch, anreichernde Gefäße als mögliche falsch-positive Befunde ernst zu nehmen und das umso mehr, als Ärzte in den ersten Jahren der Weiterbildung zum Radiologen/Neuroradiologen hierbei sicherlich Unsicherheiten haben können. Dennoch ist zu bedenken, dass Gefäße von Metastasen gerade in 3-D-Sequenzen bereits dadurch zu unterscheiden sind, dass sie Erstere als Gefäße weiter verfolgen lassen. Interessanterweise berichten die Autoren dann aber sogar von mehr falsch-positiven Befunden bei der Betrachtung der TSE-MSDE, wenn auch nicht in der Gruppe der Fachärzte. In der Diskussion vermisst man die kritische Betrachtung der in der Tabelle 3 angegebenen vermehrten Artefakte in der TSE-MSDE, die teilweise durch die lange Messzeit erklärbar sind und möglicherweise auch die höhere Anzahl der falsch-positiven Befunde erklären. Erstaunlich ist die Angabe in der Diskussion, dass subakute Infarkte allein aus der Bildgebung nicht von Metastasen zu differenzieren seien; dies ist ein Punkt, der eher im Hinblick auf den Ausbildungsstand zu diskutieren wäre.

Der Artikel kann daher ein Anstoß zu weiteren Prüfung in der klinischen Praxis sein.

Die etwas knapp diskutierte höhere CNR ist allerdings insbesondere im Hinblick auf den klinischen Nutzen als wichtigerer Aspekt zu betrachten: Ist das CNR in der TSE-MSDE erhöht, so ist damit die Chance, Metastasen früher zu erkennen, erhöht. Hierzu würde dann aber ein Vergleich mit der durchaus häufig in der Abklärung von zerebralen Metastasen verwendeten T1 mit „magnitization transfer” wichtig sein; ein Vergleich lediglich mit einer 3-D-MPRAGE ist hier nicht ganz vollständig. Dies hätte zumindest in der Diskussion Beachtung finden können, ebenso wie mögliche Vorteile einer FLAIR-Sequenz nach Kontrastmittelgabe und die Einflüsse von Sequenzen mit PAT-Technik bei 3 T und damit ebenfalls dünner Schichtung. Ein weiterer Faktor, der in diesem Artikel keine Beachtung findet, ist das Kontrastmittel: Hier sind je nach Art und auch Dosierung weitere Einflüsse auf die Sensitivität bekannt.

Insgesamt ist die Schlussfolgerung sicherlich haltbar; eine Sequenz mit erhöhtem CNR sollte bei der Befundung von MRT-Bildern die Genauigkeit der Befunde verbessern und dem Radiologen die Beurteilung erleichtern. Da der entscheidende Vorteil in der Kombination der TSE-MSDE mit der T 1 MPRAGE lag, wird allerdings die Untersuchungszeit verlängert. Der Artikel kann daher ein Anstoß zu weiteren Prüfung in der klinischen Praxis sein.

E-Mail: elke.gizewski@radiol.med.uni-giessen.de

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