Geburtshilfe Frauenheilkd 2010; 70 - P73
DOI: 10.1055/s-0030-1254989

Reifes Teratom des Ovars als Ursache für eine Anti-NMDA-Rezeptor Enzephalitis

C Fazelnia 1, C Zuchna 1, A Georgoulopoulos 1, H Novak 2, H Steiner 1, A Staudach 1
  • 1Universitätklinik für Gynäkologie und Geburtshilfe, Paracelsus Medizinische Universität, Salzburger Landeskliniken, Salzburg, Austria
  • 2Universitätsklinik für Neurologie, Christian-Doppler-Klinik, Paracelsus Medizinische Universität, Salzburger Landeskliniken, Salzburg, Austria

Einleitung: Teratome wurden in den letzten Jahren als Ursache für eine neu entdeckte, antikörper-assoziierte Form der Enzephalitis identifiziert. N-Methyl-D-Aspartat (NMDA) -Rezeptoren sind im Hippocampus für die exzitatorische Übertragung zuständig. Man nimmt an, dass Antikörper gegen diese Rezeptoren nach Kontakt mit ektopem neurologischem Gewebe – wie in einem ovariellen Teratom – vom Immunsystem produziert werden und in ausgeprägter Form zur Anti-NMDA-Rezeptor-Enzephalitis führen können. Therapie der Wahl ist bei Bestehen eines Teratoms die ehestmögliche Entfernung des ektopen Gewebes. Andere additive Maßnahmen wie Plasmapherese, Kortikoid- und Immunglobulingabe werden ebenso beschrieben. Fallbericht: Wir berichten über eine 25-jährige Patientin, die mit psychotischen Symptomen und Zeichen einer Enzephalitis an der neurologischen Intensivstation aufgenommen wird. Nach 1 Woche wird die Patientin somnolent und stuporös, nach 9 Tagen tritt eine autonome Dysregulation mit bradycarden Herzrhythmusstörungen und Pausen sowie hypertensiven Blutdruckwerten auf. Bei den differenzialdiagnostischen Überlegungen wird bei dieser nichtinfektiösen Form einer Enzephalitis der Verdacht auf eine Anti-NMDA-Rezeptor-Enzephalitis favorisiert und die Gynäkologie hinzugezogen. In der transvaginalen Sonografie ergibt sich der Verdacht auf zwei kleine Teratome des linken Ovars als Auslöser der Enzephalitis. Noch am selben Tag wird eine Pelviskopie durchgeführt, wobei sich die Verdachtsdiagnose bestätigt. Die beiden jeweils 1cm großen Läsionen des linken Ovars können entfernt werden, das Ovar wird belassen. Der histologische Befund beschreibt ein reifes Teratom mit Ganglienzellen. Die Zeit zwischen der stationären Aufnahme und der Diagnose/Operation war mit 13 Tagen kürzer als in den bereits publizierten Fällen. 2 Wochen nach der Operation kommt es zur deutlichen Besserung des klinischen Zustandsbildes, die Patientin wird wieder zunehmend reagibler. Mittlerweile konnten auch serologisch die NMDA-Rezeptor-Antikörper bestätigt werden. Bereits acht Wochen nach Aufnahme kann die Patientin an die neurologische Rehabilitationsstation verlegt werden. Konzentration und Merkfähigkeit sind noch deutlich beeinträchtigt, im Rahmen neuropsychologischer Untersuchungen zeigt sich jedoch eine kontinuierliche Verbesserung des kognitiven Leistungsstatus. Schlussfolgerung: Eine frühestmögliche operative Sanierung eines Teratoms bei Verdacht auf Anti-NMDA-Rezeptor-Enzephalitis erscheint als dringlich gebotenes Mittel, um den Krankheitsverlauf zu verkürzen und die Prognose zu verbessern. Das Wissen über dieses seltene Krankheitsbild und die interdisziplinäre Zusammenarbeit eröffnen die Möglichkeit einer raschen und effektiven Intervention. Eine Untersuchung auf NMDA-Rezeptor-Antikörper bei Patienten mit nervalen Strukturen in einem Teratom könnte sich in naher Zukunft etablieren.