Geburtshilfe Frauenheilkd 2010; 70 - P34
DOI: 10.1055/s-0030-1254950

Gastroschisis: Ein perinatologischer Notfall?

M Scholz 1, A Lederer 2, T Jäger 2, H Steiner 2, G Schimpl 1
  • 1Landeskrankenhaus Salzburg, Universitätsklinik für Kinder- und Jugendchirurgie
  • 2Universitätsklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe

Fragestellung: Die Gastroschisis ist die häufigste Fehlbildung der vorderen Bauchwand mit einer Eventeration der intraabdominalen Organe in die Amnionhöhle, wobei es häufig zu Veränderungen am vorgefallenen Darm und zu einem viszeroabdominalen Missverhältnis kommt. Da noch heute die Gastroschisis als perinatologischer – kinderchirurgischer Notfall gilt, werden Faktoren, wie die pränatale Diagnostik, der Entbindungszeitpunkt und der Entbindungsmodus, die perinatale Versorgung und die Operationstechniken, im Bezug auf das Outcome diskutiert. Methodik: In den Jahren 1997–2009 gab es in Salzburg 33 Gastroschisis-Patienten. Davon wurden alle pränatal diagnostiziert. 5 dieser Feten verstarben an einem intrauterinen Fruchttod und zwei Schwangerschaften wurden abgebrochen. 26 Feten wurden in Salzburg entbunden. Ergebnisse: Alle 26 Feten wurden in Salzburg mit einem Kaiserschnitt in der 36,4.±1,8. Schwangerschaftswoche entbunden. Perinatal verstarben 3 Neugeborene, davon litt ein Neugeborenes an einem Prune-Belly-Syndrom, einer Lungenhypoplasie und einer Kloake, ein Neugeborenes an einem Cantrell-Syndrom und ein Neugeborenes zeigte eine Anenzephalie. Nach der Geburt erfolgte die Übernahme durch einen Neonatologen, einen Kinderchirurgen und einem Kinderanästhesisten. Nach der Primärversorgung der Neugeborenen mit Verpackung des Neugeborenen in einem sterilen Kunststoffbeutel, wurde nach 3±1 (1,4–6,6) Stunden die Operation durchgeführt. Bei 21 Neugeborenen wurde die Bauchdecke primär verschlossen, bei einem Neugeborenen wurde eine Schusterplastik durchgeführt und ein Neugeborenes wurde mit einem Faszien-Patch ohne Hautverschluss versorgt. Unter den operierten Patienten wiesen 15 Patienten (65%) eine oder mehrere Begleitfehlbildungen auf. Dies waren ein persistierendes Foramen ovale (n=2), ein Ventrikelseptumdefekt (n=1), Ladd'sche Bänder (n=4), ein Meckel'sches Divertikel (n=3), eine intestinale Atresie mit Apple-peel-Syndrom (n=2), ein Maldescensus testis (n=3), eine Meningozele (n=1), ein Lipom des Filum terminale (n=1), ein persistierender Ductus omphaloentericus (n=1), ein kavernöses Hämangiom (n=1), ein Naevus flammeus (n=1), ein Limb-Body-Wall-Komplex (n=1) und ein Möbiussyndrom (n=1). 18 Patienten (78%) entwickelten eine oder mehrere postoperative Komplikationen. Dies waren ein positiver Keimnachweis am zentralen Venenkatheter, ein gastroösophagealer Reflux, eine nekrotisierende Enterokolitis, die Entwicklung eines Ileus, eine Sepsis, eine Anastomosenstenose, Narbenhernien, Inguinalhernien, der Bedarf einer temporären Ileostomie, ein abdominales Kompartmentsyndrom, eine Cholestase, eine Cholezystolithiasis, eine Thrombophlebitis, eine subtotale Sigmastenose, eine totale Dünndarmnekrose nach vaskulären Insult, eine Nabelhernie, und ein Thrombus der Vena cava inferior. Postoperativ verstarb eine Patientin an einem abdominalen Kompartmentsyndrom am 11. Lebenstag. Die 22 überlebenden Patienten (85%) wurden durchschnittlich 5,5±4,2 (2–22) Tage beatmet und 29,4±23,5 (7–104) Tage parenteral ernährt. Die enterale Ernährung wurde nach 4,0±4,1 (1–21) Tagen begonnen und war nach 30,4±23,5 (8–105) Tagen voll möglich. Die Patienten wurden nach 44,7±24,7 (16–120) Tagen mit einem Gewicht von 3082,8±579,5g (2190–4270 g) nach Hause entlassen.

Schlussfolgerungen: Die pränatale Diagnose und die dadurch ermöglichte Entbindung in einem Zentrum, in dem alle erforderlichen Spezialisten und Ressourcen zur Verfügung stehen, ist bei einer Gastroschisis von enormer Wichtigkeit, um den „Notfall“ zu vermeiden. Operationstechnisch sollte nach einer interdisziplinären Primärversorgung bei diesen Patienten immer ein primärer Bauchdeckenverschluss angestrebt werden.