Geburtshilfe Frauenheilkd 2010; 70 - P10
DOI: 10.1055/s-0030-1254926

Geburtshilflicher Verlauf und neonatales Follow-up eines kongenitalen Varizellensyndroms

E Grubinger 1, R Achleitner 1, R Trawöger 2, I Strobl 1, A Ramoni 1
  • 1Department für Frauenheilkunde, Universitätsklinik Innsbruck
  • 2Department Kinder- und Jugendheilkunde

Fragestellung: Die durch das Varizella-Zoster-Virus (VZV) übertragene Varizelleninfektion ist eine hoch kontagiöse Infektionskrankheit. Diese führt besonders in der Frühschwangerschaft – bei Infektion vor der 13. Schwangerschaftswoche (SSW) in 0,4% und bis zur 20. SSW in bis zu 2% – zu einem schweren Fehlbildungssyndrom. Typische klinische Befunde sind Hautveränderungen, neurologische Defekte, Augenerkrankungen und Skelettanomalien. Die Letalität ist mit bis zu 30% in den ersten drei Lebensmonaten hoch. Methodik: Es wird der Schwangerschaftsverlauf einer 33Jährigen Zweitgravida mit einer Varizella-Zoster-Infektion dargestellt. In der 15. Schwangerschaftswoche bemerkte die Patientin die charakteristischen Hautveränderungen mit makulopapulösen Läsionen, sowie Bläschen und Krusten. Serologisch bestätigte sich die klinische Verdachtsdiagnose einer frischen Erstinfektion mit VZV. Hierauf erhielt die Patientin Varizella-Zoster-Virus-Immunglobilin. Der weitere Schwangerschaftsverlauf gestaltete sich problemlos mit unauffälliger Amniozentese (46XY) in der 16. und einem Organscreening ohne Hinweis auf strukturelle Anomalien oder Fehlbildungen in der 22. SSW. Ergebnisse: In der 30. SSW verspürte die Patientin reduzierte Kindsbewegungen. Sonographisch zeigte sich eine unauffällige Biometrie mit normalen Fruchtwasser-verhältnissen. Auffallend war das stark eingeschränkte CTG mit kaum Akzelerationen bei unauffälliger Dopplersonografie und einem Oxford CTG im Normbereich. Die Patientin wurde stationär aufgenommen, die Lungenreife wurde induziert. Am Tag darauf ergab die CTG Überwachung ein silentes CTG, die Kriterien des Oxford CTGs wurden nicht erreicht. Man entschied zur Sectio caesarea in der 30 + 0 SSW. Entbunden wurde ein Knabe mit 1340g, NapH 7,37 und APGAR 3/5/7.

Das Frühgeborene kam mit erheblichem Atemnotsyndrom an die neonatologische Intensivstation. Es entwickelte im Rahmen des kongenitalen Varizellensyndroms ein Exanthem, ein Apnoe-Bradykardie-Syndrom, eine schwere bronchopulmonale Dysplasie, eine sekundäre Sepsis, eine Varizellenpneumonie, eine Chorioretinitis sowie eine Darmperforation. In der Serologie zeigte sich zunächst der Befund einer abgelaufenen VZV-Infektion. Es gelang später der Nachweis von Virusgenom in Blut, Rachensekret und Hautabstrich. Trotz entsprechender Behandlung mit erlag das Kind seiner schweren Erkrankung zweieinhalb Monate postpartal. Schlussfolgerung: Das kongenitale Varizellensyndrom stellt eine ernste neonatale Erkrankung dar. Es erscheint überlegenswert, einheitliche Empfehlungen für Diagnostik, Therapie und Prophylaxe zu erstellen.