Diabetologie und Stoffwechsel 2010; 5 - P194
DOI: 10.1055/s-0030-1253922

Prävalenz von Hypoglykämieproblemen bei insulinbehandelten Typ-2-Diabetikern

N Hermanns 1, B Kulzer 1, M Mahr 1, B Maier 1, T Haak 1
  • 1Diabetes Zentrum Mergentheim, Forschungsinstitut der Diabetes Akademie Mergentheim (FIDAM), Bad Mergentheim, Germany

Einleitung: Aktuelle Therapiestudien zum Typ-2-Diabetes (z.B. ACCORD-, ADVANCE-Studie, VADT) legen nahe, dass eine intensivierte Insulintherapie auch beim Typ-2-Diabetes mit einer erhöhten Prävalenz von Hypoglykämien assoziiert ist. Im deutschsprachigen Raum sind allerdings Daten zur Häufigkeit von Hypoglykämieproblemen bei Typ-2-Diabetikern eher selten. Daher wurde an einer Stichprobe von ambulant behandelten insulinpflichtigen Typ-2-Diabetikern die Prävalenz von Hypoglykämieproblemen untersucht.

Methodik: Die Stichprobe setzte sich zusammen aus 184 insulinbehandelten Typ-2-Diabetikern (Alter 62,9±8,3J.; 44,6% weiblich; Diabetesdauer 13,7±7,6J.; HbA1c 8.3±1,4%; BMI 33,3±5,9kg/m2; 30% mindestens 1 Folgeerkrankung; 35% 2 oder mehr Folgeerkrankungen; mittlere Insulindosis 0,67 IE/kg; Anzahl täglicher Insulininjektionen 3,7±1,4), die in diabetologischen Schwerpunktpraxen behandelt wurden. Die Patienten füllten die deutsche Version des „Hypoglycemia Awareness Questionnaire“ (HAQ-Fragebogen) aus, welcher standardisiert das Auftreten leichter und schwerer Hypoglykämien innerhalb des letzten Jahre abfragt sowie die glykämischen Schwellen von Hypoglykämiesymptomen erfasst. Der Summenscore des HAQ reicht von „0“ bis zum Maximalscore von „7“ (intakte bis minimale Hypoglykämiewahrnehmung). Ab einem Wert von „4“ wird von einer Hypoglykämiewahrnehmungsstörung ausgegangen.

Ergebnisse: Pro 100 Patientenjahre traten in dieser Stichprobe 16,4 schwere Hypoglykämien auf, zu deren Behandlung Fremdhilfe notwendig war, sowie 0,5 sehr schwere Hypoglykämien (mit Bewusstlosigkeit und/oder der Notwendigkeit einer Glukose- oder Glukagoninjektion). Insgesamt gab es innerhalb eines Jahres bei dieser Gruppe 31 schwere oder sehr schwere Hypoglykämien. Schwere Hypoglykämien traten allerdings insgesamt nur bei 6 Patienten (3,3%) auf, was auf spezielle Risikogruppen ähnlich wie beim Typ-1-Diabetes hinweist. 9 Patienten (4,9%) erfüllten die Kriterien einer Hypoglykämiewahrnehmungsstörung (Score ≥4). Bei 4,1% traten die ersten Hypoglykämiesymptome erst ab BZ-Werte unter 40mg/dl auf, bei 11,7% wurden Hypoglykämien erst bei BZ-Werten zwischen 40–50mg/dl erkannt.

Schlussfolgerungen: Obwohl die Prävalenz schwerer Hypoglykämien bei Typ-2-Diabetikern erwartungsgemäß deutlich niedriger liegt als bei Typ-1-Diabetikern, stellt die Rate keine „Quantité négligeable“ dar. Da sich in dieser Stichprobe ein hoher Anteil multimorbider Patienten befindet, ist in dieser Stichprobe durchaus ein nicht zu unterschätzendes Gefährdungspotential aufgrund von Hypoglykämien vorhanden. Da die Gefährdung durch Hypoglykämien ähnlich wie beim Typ-1-Diabetes vor allem Risikopersonen betrifft, die zum Beispiel bereits schwere Hypoglykämien hatten oder eine Hypoglykämiewahrnehmungsstörung aufweisen, sollte diesen in der klinischen Praxis besondere Beachtung geschenkt werden.