Diabetologie und Stoffwechsel 2010; 5 - P181
DOI: 10.1055/s-0030-1253909

Einfluss des Nüchternblutzuckers auf die Magenentleerungsgeschwindigkeit bei Patienten mit Typ-1 Diabetes

B Becker 1, K Walther 1, S Schminkel 1, MA Nauck 1
  • 1Diabeteszentrum Bad Lauterberg, Bad Lauterberg, Germany

Fragestellung: Intraindividuell ist eine Veränderung der Magenentleerungsgeschwindigkeit durch Veränderung des Blutzuckers im physiologischen Bereich mithilfe von „Clamp“-Versuchen gezeigt. Unklar ist, ob diese Ergebnisse von Relevanz für den klinischen Alltag sind, da bei Patienten mit Typ 1-Diabetes mit Blutzuckerschwankungen von Tag zu Tag zu rechnen ist. Ziel der vorliegenden Arbeit ist die Klärung der Frage, ob Schwankungen der Nüchternblutzucker die Untersuchungsergebnisse der Bestimmung der Magenentleerungsgeschwindigkeit mit einem 13C-CO2-Octanoat-Atemtest im klinischen Alltag beeinflussen.

Methodik: Alle Patienten mit Typ 1-Diabetes, bei denen in den Jahren 2005–2007 eine Magenentleerungs-Untersuchung durchgeführt wurde, wurden erfasst. Insgesamt 259 Untersuchungen wurden in die Analyse einbezogen. Das Alter der Patienten betrug 48±15 Jahre, die Diabetesdauer 25±12 Jahre, der BMI 25,1±3,7kg/m2 und der HbA1c 7,9±1,6% (MW±SD). Die Geschwindigkeit der Magenentleerung wurde mit einem 13C-CO2-Octanoat-Atemtest nach Verzehr einer standardisierten Mahlzeit gemessen und mittels Magenhalbentleerungszeit (t1/2), „lag time“ (tlag), „gastric emptying coefficient“ (GEC) und dem prozentualen Mageninhalt im Zeitverlauf beschrieben. Die Patienten wurden in Tertilen nach dem Nüchtern-Blutzucker eingeteilt. Statistik: ANOVA, ggf. für Messwiederholungen, multivariate Regressionsanalysen zwischen Markern der Magenentleerung und multiplen Patientencharakteristika.

Ergebnisse: Der Mageninhalt in% des Ausgangswertes unterschied sich im Zeitverlauf nicht signifikant zwischen Patienten mit Nüchternblutzucker im unteren (BZ 80±17mg/dl), mittleren (131±15mg/dl) und oberen Tertil (211±41mg/dl; MW±SD). Auch in der multivariaten Regressionsanalyse war der Nüchternblutzucker nicht mit der Magenentleerungsgeschwindigkeit korreliert (t1/2: p=0,62; tlag: p=0,62; GEC: p=0,89). In der multivariate Analyse war t1/2 korreliert mit Alter (p=0,01), Geschlecht (p=0,01), und Herzfrequenz (p=0,01), tlag mit Herzfrequenz (p=0,03) und Alter (p=0,04) sowie der GEC mit Herzfrequenz (p=0,01), Alter (p<0,01) und der Benutzung eines Normalinsulins vs. eines schnellen Analoginsulins zu den Mahlzeiten (p=0,04).

Schlussfolgerungen: Der Vergleich bei Patienten mit langjährigem Typ 1-Diabetes zeigt nahezu identische mittlere Magenentleerungszeiten unabhängig vom Nüchternblutzucker. Eine höhere Herzfrequenz als Hinweis auf eine kardiale autonome Neuropathie ist mit einer langsameren Magenentleerung vergesellschaftet, ein höheres Lebensalter mit einer schnelleren Magenentleerung. Die gängige Praxis, bei Blutzuckerwerten die deutlich vom Nüchtern-Zielbereich abweichen keine Magenentleerungsuntersuchungen durchzuführen, wird durch die vorliegenden Ergebnisse nicht unterstützt. Interessant ist die Beobachtung, dass Patienten mit verlangsamter Magenentleerung häufiger Normalinsulin zum Essen verwenden, was besser dem Nährstoffeinstrom entsprechen dürfte.