Diabetologie und Stoffwechsel 2010; 5 - P135
DOI: 10.1055/s-0030-1253864

Häufigkeit des Typ-1-Diabetes im Kindes- und Jugendalter vor und nach der Wende – Ergebnisse aus dem DDR- und dem Baden-Württemberger Diabetesinzidenzregister

S Ehehalt 1, D Michaelis 2, K Dietz 3, P Heinke 4, A Neu 1
  • 1Universitätsklinikum Tübingen, Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Tübingen, Germany
  • 2Fachkrankenhaus für Diabetes und Stoffwechselkrankheiten, Karlsburg, Germany
  • 3Eberhard-Karls-Universität Tübingen, Institut für Medizinische Biometrie, Tübingen, Germany
  • 4Institut für Diabetes „Gerhardt Katsch“, Karlsburg, Germany

Hintergrund: Das Diabetesinzidenzregister mit dem längsten Erfassungszeitraum aller deutschen Register war das der DDR (1960–1989). Das älteste noch bestehende deutsche Diabetesinzidenzregister wird in Baden-Württemberg (BW) geführt (seit 1987).

Ziel: Vergleich der Diabeteshäufigkeit im Kindes- und Jugendalter vor und nach der Wende in Deutschland.

Methoden: Das zentrale Inzidenzregister der DDR wurde in Karlsburg geführt und erfasste im Zeitraum 1960 bis 1989 alle 0- bis 20-Jährigen mit Manifestation eines Typ-1-Diabetes. Das Baden-Württemberger Diabetesinzidenzregister erfasst seit 1987 fortlaufend alle Manifestationen eines Typ-1-Diabetes im Alter von 0 bis 14 Jahren anhand der EURODIAB-Kriterien.

Ergebnisse: Die Inzidenzrate des Typ-1-Diabetes bei Kindern und Jugendlichen im Alter von 0 bis 14 Jahren betrug vor der Wende (DDR, 80-er Jahre) 7,19/100.000/Jahr (95%-CI 6,90–7,48) und nach der Wende (90-er Jahre, BW) 10,42/100.000/Jahr (95%-CI 9,47–11,37). Der in beiden Registern beobachtete Anstieg der Inzidenzraten lässt sich mit einer hohen Genauigkeit durch ein quadratisches Modell beschreiben [DDR: y=(–71,9 + 0,0377*Jahr)2, r2=0,87 vs. BW: y=(3,05+0,0778*(x-1986))2, r2=0,90]. Die Steigungen der (wurzeltransformierten) Inzidenzraten unterscheiden sich signifikant (DDR 0,04, 95%-CI 0,036–0,044 vs. BW 0,085, 95%-CI 0,08–0,09).

Schlussfolgerungen: Erstmals liegen für Deutschland Daten zur Diabeteshäufigkeit bei 0- bis 14-Jährigen über einen Zeitraum von nahezu einem halben Jahrhundert vor. Das für Ostdeutschland nach der Wende prognostizierte Diabeteserkrankungsrisiko ist niedriger als das in Westdeutschland tatsächlich beobachtete. Ursächlich müssen sowohl genetische als auch äußere Einflussfaktoren diskutiert werden.