Diabetologie und Stoffwechsel 2010; 5 - P90
DOI: 10.1055/s-0030-1253818

Wirkungen von Insulin auf humane Bronchialkarzinomzellen im Vergleich zu normalen Bronchialepithelzellen

P Mayer 1, U Reitzenstein 2, M Warnken 2, S Mering 1, 2, H Enzmann 1, K Racké 2
  • 1BfArM, Bonn, Germany
  • 2Universitätsklinikum Bonn, Inst. f. Pharmakologie und Toxikologie, Bonn, Germany

Fragestellung: Es wird diskutiert, dass inhalatives Insulin (welches auch nach der Marktrücknahme von Exubera® weiter entwickelt wird), die Entstehung von Bronchialkarzinomem fördern könnte, obwohl Studien an Tieren kein erhöhtes Risiko gezeigt haben. Grund für diesen Verdacht ist die theoretische Möglichkeit, dass die hohen lokalen Insulinkonzentrationen im Bronchus Rezeptoren des Wachstumsfaktors IGF-I aktivieren könnten; gleichzeitig wurde in einer klinischen Studie nach inhalativem gegenüber subkutanem Insulin eine (statistisch nicht signifikant) erhöhte Inzidenz von Bronchialkarzinomen beobachtet. Wir haben daher die Möglichkeit untersucht, dass Insulin nicht vorrangig auf normale Bronchialepithelzellen wirkt sondern die Entwicklung von prä-existenten, subklinischen Karzinomen beschleunigt.

Methodik: In der humanen Bronchialkarzinomzelllinie H292 und in humanen primären Bronchialepithelzellen (HBE) von zwei verschiedenen Spendern wurde nach in-vitro-Stimulation mit Insulin, IGF-I und TGF-ß die Proliferation mittels Zellzählung und 3H-Thymidineinbau gemessen. Veränderungen der Genexpression wurden mit quantitativer PCR und DNA-Chip-Hybridisierung mit nachfolgender GO- (Gene Ontology)-Analyse erfasst.

Ergebnisse: H292- und HBE-Zellen exprimieren sowohl den Insulin- als auch den IGF-I-Rezeptor; in H292 wurde außerdem eine zusätzliche, kürzere Splicing-Variante des Insulinrezeptors (IR-A) nachgewiesen. Die Expressionsrate des Insulin- und IGF-I-Rezeptors war (auf mRNA-Ebene, bezogen auf Housekeeping-Gene) in H292 um den Faktor zwei bis vier höher als in HBE. In unbehandelten H292- und HBE-Zellen wurde die Proliferationsrate durch Insulin nur wenig, um ca. 30%, gesteigert. In TGF-ß-behandelten H292 war der Insulineffekt auf den 3H-Thymidineinbau jedoch deutlich stärker (bis zu 300%). Die halbmaximale Wirkung (EC50) war in H292 bei 5 nM erreicht, in HBE erst bei 30 nM. Insulin führte in H292 auch zu deutlicher Geninduktion. Die Expression von Zytokinen wurde etwa um den Faktor 50 erhöht; andere veränderte Gene standen in Zusammenhang mit Adhäsion, Kontraktion, DNA-Reparatur, Proliferation und Differenzierung. In HBE waren die Veränderungen quantitativ deutlich schwächer (etwa ein Zehntel) oder überhaupt nicht nachweisbar. Die EC50-Werte lagen – je nach Gen – in beiden Zelltypen zwischen 10 und 100 nM, was für die Existenz von Insulin-IGF-I-Hybridrezeptoren spricht.

Schlussfolgerungen: Insulin zeigte in Bronchialkarzinomzellen deutlich vielfältigere und stärkere Wirkungen als in normalen Bronchialepithelzellen. Die beobachteten Genexpressionsänderungen in H292 passen zu der Annahme, dass Insulin die Progression der Malignität fördert. Der Angriffsort für Insulin in Bezug auf Tumorgenese ist also eher die frühe Tumorzelle als die noch nicht entartete Zelle, was auch Konsequenzen für die Bewertung tierexperimenteller Sicherheitsdaten an (gesunden) Versuchstieren hat. Die Anwendungssicherheit von inhalativem Insulin bleibt daher fraglich.