Diabetologie und Stoffwechsel 2010; 5 - P81
DOI: 10.1055/s-0030-1253809

Das Aktionspotential und die Insulinsekretion – ein zwingender Zusammenhang?

M Willenborg 1, H Ghaly 1, M Belz 1, U Panten 1, I Rustenbeck 1
  • 1Technische Universität Braunschweig, Institut für Pharmakologie und Toxikologie, Braunschweig, Germany

Einleitung und Fragestellung: Nährstoffe wie Glucose oder Ketoisocapronsäure (KIC) können die Insulinsekretion amplifizieren, d.h. zusätzlich zur Hemmung des KATP-Kanals steigern sie die Sekretion über Mechanismen, die die Signalfunktion von KATP-Kanal und cytosolischer Calciumkonzentration ([Ca2+]i) umgehen. Bei Untersuchungen der Mechanismen der Amplifikation durch KIC, bei der der Schluss des KATP-Kanals durch eine maximal wirksame Konzentration von Glipizid bewirkt wurde, wurde zusätzlich der unselektive Kaliumkanalblocker Tetraethylammonium-chlorid (TEA) verwendet, um eine Beeinflussung der Amplifikationsstärke durch das Ausmaß der Depolarisation zu erkennen. Von TEA ist bekannt, dass es die Aktionspotentialamplitude erhöht und die Insulinsekretion verstärkt. Unerwarteterweise wurde die KIC-induzierte Sekretion durch TEA vermindert.

Warum zeigt TEA unter den gegebenen Bedingungen einen paradoxen inhibitorischen Effekt auf die Insulinsekretion?

Methoden: An umströmten NMRI-Mausinseln wurde die Insulinsekretion, die [Ca2+]i und die NAD(P)H Autofluoreszenz gemessen. Die ATP/ADP-Ratio wurde als Endpunkt nach statischer Inkubation von Inseln gemessen. Das Membranpotential von kultivierten primären β-Zellen wurde mittels der Patch-Clamp-Technik im perforated patch Modus erfasst.

Ergebnisse: KIC amplifizierte in Gegenwart von 2,7µM Glipizid die Insulinsekretion um das 11-fache. TEA verminderte den KIC-Effekt um mehr als 50%. Auch die allein durch Glipizid bewirkte Sekretion wurde auf 38% vermindert. Der hemmende Effekt von TEA bedurfte der Abwesenheit von Glucose, in Gegenwart von 5 mM Glucose war der bekannte verstärkende Effekt von TEA vorhanden. Trotzdem vergrößerte TEA in Abwesenheit ebenso wie in Anwesenheit von Glucose die Aktionspotentialamplitude um 12,3±4,8 mV (p=0,01; n=12). KIC führte zu keiner signifikanten Änderung dieses Effektes. Auch wurde durch TEA der Glipizid-induzierte Anstieg der [Ca2+]i verstärkt, sowohl bei 0 als auch bei 5 mM Glucose. Der [Ca2+]i Anstieg war durch den Calciumkanalöffner BAY K 8644 noch weiter steigerbar. TEA hatte weder bei 0 noch bei 5 mM Glucose einen Einfluss auf die ATD/ADP-Ratio. Auch wurde der KIC-induzierte Anstieg der NAD(P)H Autofluoreszenz nicht durch TEA vermindert. Glipizid und TEA steigerten ebenfalls NAD(P)H Fluoreszenz, der durch TEA verusachte geringe Anstieg war nur bei 0 mM, nicht aber bei 5 mM Glucose vorhanden.

Schlussfolgerung: Der paradoxe Effekt von TEA bedarf der Abwesenheit von Glucose und kommt zustande, obwohl TEA weiterhin vermöge seines Kaliumkanal-blockierenden Effekts die Aktionspotentiale erhöht und die [Ca2+]i ansteigen lässt. Eine Hemmung des Energiestoffwechsels durch TEA war nicht nachweisbar. Diese Befunde relativieren die Bedeutung von [Ca2+]i und Aktionspotentialamplitude für das Ausmaß der Insulinsekretion. Möglicherweise gibt es NAD(P)H-abhängige Effekte von Kaliumkanälen direkt auf die Exozytosemaschinerie der β-Zelle.