Diabetologie und Stoffwechsel 2010; 5 - P77
DOI: 10.1055/s-0030-1253805

Kann der zu erwartende therapeutische Effekt von Inkretinanaloga im Einzelfall vorausgesagt werden?

E Salzsieder 1, L Vogt 2, KD Kohnert 1, P Heinke 1, G Fritsche 1, P Augstein 1
  • 1Institut für Diabetes „Gerhardt Katsch“ Karlsburg, Karlsburg, Germany
  • 2Diabetes Service Center Karlsburg, Karlsburg, Germany

Fragestellung: Inkretinanaloga sind eine neue Klasse Glukose senkender Wirkstoffe, die die Eigenschaft besitzen, die glykämischen Stoffwechselprozesse vergleichbar den natürlichen Inkretinen zu beeinflussen. Exenatide ist das erste zugelassene Inkretinanaloga, welches die Insulinsekretion fördert, die postprandiale Glukagonsekretion hemmt und die Nahrungsresorption verzögert. Erste therapeutische Anwendungen von Exenatide haben aber auch gezeigt, dass die erwarteten therapeutische Effekte bei einigen Probanden voll zum Tragen kommen bei anderen aber nicht. Gegenwärtig existiert aber keine Methode, mit welcher der zu erwartende therapeutische Effekt bereits vor der Applikation abgeschätzt werden könnte. Es war daher das Ziel dieser Studie, eine Methode zu entwickeln und zu verifizieren, die es erlaubt, Low- oder High-Responder einer Inkretintherapie zu identifizieren.

Methodik: Zur Entwicklung eines in silico Simulationsmodells zur Vorhersage der zu erwartenden therapeutischen Effekte einer Inkretinapplikation wurde das Karlsburger Diabetes-Management System KADIS® eingesetzt. Hierzu wurde KADIS® an die spezifischen Erfordernisse dieser Studie angepasst. Das modifizierte KADIS® Programm umfasst: (1) ein kontinuierliches Glukosemonitoring (CGM), welches zu Beginn der Studie durchgeführt wurde; (2) die KADIS®-basierte Identifikation der individuellen Stoffwechselsituation jedes Probanden; (3) die in silico Testung der zu erwartenden metabolischen Effekte einer Applikation von 20µg Exenatide auf das 24-Stunden Glukoseprofil; (4) die Bestimmung eines Inkretinäquivalenzwirkfaktors (IWF) durch Ersetzen von Exenatide durch ein langwirksamen Insulin und Hochtitrieren der Insulindosis in silico solange, bis das gleiche 24-Stunden Glukoseprofil erreicht war wie unter einer Exenatide Applikation; (5) Zuordnung der Probanden zu Low- oder High-Respondern gemäß dem ermittelten IWF. Zur Verifizierung wurden 58 nicht mit Insulin behandelte Probanden mit Typ-2-Diabetes in die in silico Studie eingeschlossen.

Ergebnisse: Der Glukose senkende Effekt von 20µg Exenatide betrug 0,81±0,50mmol/l und entsprach einer Insulindosis, d.h. einem IWF von 12,6±4,8 IE. 41% der Studienprobanden konnten anhand ihres IWF als High-Responder (IWF >12,6 IE) und 59% als Low-Responder (IWF <12,6 IE) charakterisiert werden. In der Gruppe der High-Responder wurde der mittlere Glukosetagesspiegel um 1,15±0,57mmol/l abgesenkt und entsprach somit einem IWF von 17,2±3,2 IE, während in der Low-Responder Gruppe eine Absenkung um 0,57±0,23mmol/l ermittelt wurde was einem IWF von 9,3±2,6 IE entspricht. In der Gruppe der High-Responder konnte ein höherer BMI (31,4 vs. 28,5kg/m2), eine erhöhte endogene Insulinsekretion (62,2 vs. 49,7 IE/Tag) und ein höherer HbA1c-Ausgangswert (6,7 vs. 6,2%) nachgewiesen werden.

Schlussfolgerung: Der zu erwartende metabolische Effekt einer Inkretintherapie kann bereits vor der therapeutischen Applikation mittels in silico Simulationsstrategie abgeschätzt werden.