Diabetologie und Stoffwechsel 2010; 5 - FV59
DOI: 10.1055/s-0030-1253787

Memantin verhindert Hypoglykämie-induzierten Abfall des zerebralen Energiestatus bei gesunden Probanden

B Willenborg 1, A Schmoller 1, J Caspary 1, U Melchert 2, H Scholand-Engler 2, F Hohagen 1, U Schweiger 1, KM Oltmanns 1
  • 1Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Lübeck, Germany
  • 2Institut für Neuroradiologie, Lübeck, Germany

Fragestellung: Diabetes mellitus ist einer der wichtigsten Risikofaktoren für die makrovaskulären Ursachen der vaskulären Demenz; allerdings stellt der Diabetes auch ein Risikofaktor für die Entwicklung der nicht vaskulären Alzheimer-Demenz dar. Memantin ist ein Antidementivum, welches bei Demenzerkrankungen klinisch eingesetzt wird. Tierexperimentell konnte nachgewiesen werden, dass Memantin einen neuroprotektiven Effekt unter hypoglykämischen Bedingungen hat. In diesem Zusammenhang nehmen wir an, dass Memantin einen Abfall des zerebralen Energiestatus unter akuter Hypoglykämie verhindert und somit neuroprotektiv wirkt.

Methodik/Statistik: Wir haben in einem doppelblinden Cross-over-Design die Wirkung von Memantin vs. Plazebo bei 16 gesunden Männern zwischen 18 und 30 Jahren auf den zerebralen Energiestoffwechsel untersucht. Jeder Proband durchlief zwei experimentelle hypoglykämische Glukose-Clamp-Interventionen und die Parameter der zerebralen Hochenergiephosphate, wie Adenosintriphosphat (ATP) und Phosphocreatin (PCr), wurden vor Beginn, während und nach der Hypoglykämie mittels 31Phosphor-Magnet-Resonanz-Spektroskopie gemessen. Zusätzlich wurden Konzentrationsbestimmungen der Hormone Adrenalin, Noradrenalin, Cortisol und ACTH durchgeführt und die neurokognitive Leistungsfähigkeit getestet. Die statistische Auswertung erfolgte mittels Varianzanalyse für Messwiederholungen (ANOVA).

Ergebnisse: Der zerebrale ATP-Gehalt stieg unter der Hypoglykämie in der Memantinbedingung im Vergleich zur Plazebobedingung an (p=0,018). Dieser Effekt spiegelte sich auch in dem Quotienten aus ATP und anorganischem Phosphat (Pi) wieder (p=0,046). Auch nach Normalisierung des Blutzuckerwertes blieb der Gehalt zerebraler Hochenergiephosphate in der Memantinbedingung tendentiell höher im Vergleich zur Plazebobedingung (ATP p=0,090; ATP/Pi p=0,055). Des Weiteren konnten wir zeigen, dass es zu einer signifikanten Erhöhung aller gemessenen Hormonkonzentrationen sowie zu einem Abfall der neurokognitiven Leistungsfähigkeit unter der Hypoglykämie gekommen war (p<0,05 für alle).

Schlussfolgerung: Wir konnten zeigen, dass Memantin den Gehalt der zerebralen Hochenergiephosphate unter experimentell induzierter Hypoglykämie bei gesunden Probanden erhöht. Wir vermuten, dass der verbesserte neuronale Energiestatus eine zentrale Rolle für den neuroprotektiven Effekt unter diesen Bedingungen spielt. Unsere Ergebnisse sind von klinischer Relevanz, da sie eine mögliche Therapieoption für die Hypoglykämie-induzierte Neurodegeneration, bzw. Prävention dementieller Erkrankungen bei Diabetes mellitus eröffnen.