Diabetologie und Stoffwechsel 2010; 5 - FV41
DOI: 10.1055/s-0030-1253769

Interstitielle Nephritis durch Sitagliptin – eine Fallbeschreibung

H Schmitt 1, U Helmchen 2
  • 1Nephrolog. Gemeinschaftspraxis-Dialyse, Dortmund, Germany
  • 2Universitätsklinikum Hamburg, Nierenregister am Institut für Pathologie, Hamburg, Germany

DPP 4-Inhibitoren (Sitagliptin, Vildagliptin) sind eine neue therapeutische Option in der oralen Therapie des Diabetes mellitus Typ 2. Die Zahl der – zumeist in Kombinationstherapie – behandelten Patienten wächst rasch, dennoch sind die klinischen Erfahrungen noch begrenzt. Wir berichten über einen Patienten mit interstitieller Nephritis, deren Entstehung wir auf Sitagliptin zurück führen.

81-jähriger Pat., seit 1997 Diab. mell. Typ 2, behandelt mit Glimepirid und bis Ende 2008 befriedigend eingestellt (HbA1c 6,5–7,5%). Begleiterkrankungen: Arterielle Hypertonie (gut eingestellt), Z.n. Apoplex (ohne Residuen), Hypercholesterinämie, Hyperurikämie, Z.n. TUR eines Harnblasenkarzinoms. Dauermedikation (langjährig): Benazepril 10mg, Simvastatin 20mg, Allopurinol 300mg, ASS 300mg, Omeprazol 20mg/Tag, Magnesium und Zinkorotat. Altersentsprechend normale Nierenfunktion mit Serum-Krea. 1,2mg/dl und GFR >60ml/min nach MDRD.

Anfang 2009 HbA1c-Anstieg auf 8,3%, im April 2009 Umstellung auf Sitagliptin/Metformin (50mg/1000mg 2 x tägl.) mit deutlicher Besserung der BZ-Werte. Nach 5 Wochen Labor-Kontrolle: Rückgang des HbA1c auf 7,3%, jedoch Krea.-Anstieg auf 2,8mg/dl (GFR 23ml/min). In diesem Zeitraum keine Einnahme nephrotoxischer Pharmaka und keine Kontrastmittelapplikation. Daraufhin Absetzen von Metformin, Fortsetzung einer Sitagliptin-Monotherapie (100mg/Tag) für weitere 7 Tage, dann zunächst Pioglitazon (15–30mg/Tag), nach 4 Wochen Neueinstellung auf Insulin. Trotz Pausierung von Benazepril, Allopurinol und Omeprazol innerhalb eines Monats keine Besserung der Nierenfunktion (Krea. konstant bei 2,7–2,9mg/dl); Entschluss zur Nierenbiopsie.

Histologischer Befund: 13 Glomeruli, davon 3 vollständig, 2 weitere teilweise vernarbt, die übrigen mit etwas verbreitertem, nicht zellvermehrtem Mesangium (vermehrte mesangiale Matrix); Kapillaren stellenweise eingeengt, verdickte periphere Basalmembranen. Interstitium diffus erheblich verbreitert, überwiegend fibrosiert, herdförmig dicht von Lymphozyten, Plasmazellen und Makrophagen durchsetzt. Ausgeprägte und fortgeschrittene Tubulusatrophie.

Diagnose: Herdförmig vernarbte, destruierende, nicht-eitrige interstitielle Nephritis mit fast diffuser Tubulusatrophie und interstitieller Fibrose. Mäßiggradige fokal vernarbte diffuse Glomerulosklerose und sog. benigne Nephrosklerose.

Nach sorgfältiger Risiko-Nutzen-Abwägung wurde auf eine Steroidtherapie der interstitiellen Nephritis verzichtet. Trotz der histologisch nachgewiesenen ausgedehnten Vernarbungen des Nierenparenchyms kam es im Verlauf von 2 Monaten zu einer gewissen Verbesserung der Nierenfunktion mit Rückgang des Serumkreatinins von 2,8 auf 2,3mg/dl (Anstieg der GFR von 23 auf 28ml/min).

Dieser Fall zeigt, dass bei älteren Diabetikern mit plötzlicher Verschlechterung der Nierenfunktion an die Möglichkeit einer medikamentös induzierten interstitiellen Nephritis gedacht werden sollte. Diese kann offensichtlich auch durch Sitagliptin ausgelöst werden.