Z Orthop Unfall 2010; 148(1): 5-7
DOI: 10.1055/s-0030-1249290
Orthopädie und Unfallchirurgie aktuell

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart ˙ New York

Weiterbildung – Suche nach Lösungen für Fehler im System

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Publication Date:
22 February 2010 (online)

 

Zu wenig Zeit, zu wenig Operationen, mäßige Didaktik in Kursen und finanziell ein Schattendasein: Es gibt viele Probleme mit der Weiterbildung. Manche schulden sich dem System, doch manche lassen sich auch pragmatisch lösen.

Dr. Almut Tempka geht Dingen gerne auf den Grund. Anfang 2007 bekam die resolute Oberärztin an der Berliner Charité, zugleich Mitglied im Ausschuss für Facharztprüfungen, einen Antrag zu Gesicht, der ihr seltsam vorkam. Bei der Versorgung von Polytrauma-Patienten waren da die nötigen Zahlen für die Zulassung zur Prüfung zwar erreicht. "Ich dachte aber, komisch, im Haus des Antragstellers werden doch solche Fälle gar nicht versorgt", erinnert sich Tempka. Ein Anruf bei der Leitstelle der Feuerwehr brachte Gewissheit: Solche schwer verletzten Patienten hatten die Kollegen dort in der Tat noch nie hingefahren. Der Prüfling bekam ein Problem.

Tempka aber ging der Sache weiter nach, zog einige Stichproben hie und da im Bundesgebiet. Fazit: 40 Prozent der Angaben zu Wirbelsäulen- und Beckenoperationen in Prüfungsanträgen waren von den jeweiligen Krankenhäusern gar nicht abgerechnet worden. "Es geht mir jetzt nicht um noch mehr Kontrollen und Bürokratie auf dem Rücken aller Ärzte, die davon eh schon zu viel haben", betont sie. "Aber wir brauchen eine Diskussion darum, wie wir Weiterbildung transparenter und besser gestalten."

Denn der Missstand sei vor allem ein Symptom: "Die von der Musterweiterbildungsordnung vorgesehen Zahlen an Eingriffen in den sechs Jahren Mindestzeit zu schaffen, ist für Assistenten bei den heutigen Arbeitszeitregelungen nicht möglich." Schuld sei ein Systemfehler. Tempka: "Weiterbildung ist quasi Abfallprodukt ärztlicher Tätigkeit, sie läuft rein nebenher – und so lange das so bleibt, sehe ich nur begrenzt Chancen auf Verbesserung."

Es ist ein seit Jahrzehnten etabliertes System: Die Approbation nach Studium, erstem und zweitem Staatsexamen, reicht einem Arzt zwar, seinen Beruf auszuüben. Selber abrechnen kann er damit aber als Niedergelassener Arzt bei Gesetzlichen Kassen, alias Kassenärztlichen Vereinigungen nicht. Das geht erst mit dem Facharzt.

Den erhält, wer sechs Jahre an Vollzeitbeschäftigung bei Ärzten, nachweisen kann, die eine Weiterbildungsbefugnis von der Ärztekammer haben. Alle sechs Jahre an einem Haus zu absolvieren, geht allerdings nur dann, wenn dies auch alles anbieten kann, was solch ein Facharzt können muss – die volle Weiterbildungsbefugnis hat. Denkbar, dass jemand mehrfach die Klinik wechseln muss, wenn diese nur eine teilweise Befugnis haben. Denn zugleich gilt es in den sechs Jahren eine festgelegte Zahl an Eingriffen und Behandlungen in einem Logbuch zu dokumentieren – aufgeschlüsselt ist das in der Muster-Weiterbildungsordnung und Muster-Richtlinien der Bundesärztekammer, verbindlich umgesetzt in entsprechenden Dokumenten der 17 Ärztekammern im Bundesgebiet. So weit die Theorie.

Alle nötigen Operationen des Eingriffkatalogs in sechs Jahren durchzuführen, ist für viele Assistenzärzte nicht zu schaffen (Bild: Thieme Verlagsgruppe).

In der Praxis grummelt es schon länger. "Für viele in sechs Jahren nicht machbar", erklärt auch Dr. Daniel Frank, Chefarzt der Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie im Remigius-Krankenhaus Opladen.

Und einmal mehr berichteten etliche Assistenten auf dem letzten Deutschen Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie von Problemen, den Katalog in den sechs Jahren Mindestzeit zu absolvieren. Auch eine Umfrage des Jungen Forums bei 765 AssistentInnen zur Weiterbildung im Fach Orthopädie und Unfallchirurgie im letzten Jahr förderte zutage, dass 51 Prozent "unzufrieden" waren (siehe ZFOU 2009; 147: 403-404) Ein Drittel erklärte, dass die von den Weiterbildungsordnungen vorgesehenen Gespräche einmal im Jahr mit ihrem Chef nicht stattfänden. 41 Prozent kennen kein Curriculum – ein individuell zugeschnittener Plan für ihre Weiterbildung. Repräsentative Zahlen erhoffen sich jetzt viele von einer ersten bundesweiten Evaluation der Weiterbildung durch die Bundesärztekammer (BÄK). Ergebnisse werden für Frühjahr 2010 erwartet.

Doch gerade im Fachgebiet Orthopädie und Unfallchirurgie diskutieren Experten und Betroffene schon länger über Lösungsansätze. Dass die unterschiedlich ausfallen, liegt auch an der Komplexität der Materie.

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