Z Geburtshilfe Neonatol 2010; 214 - V1
DOI: 10.1055/s-0030-1248796

Ein ungewöhnlicher Fall von Enterolithiasis

R Bergholz 1, K Wenke 1
  • 1Altonaer Kinderkrankenhaus, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Kinderchirurgie, Hamburg, Deutschland

Einführung: Enterolithiasis das seltene Vorkommen von intraluminalem verkalktem Mekonium. In der Literatur sind extraluminale Verkalkungen bei Neugeborenen häufig beschrieben und in der Regel Folge von intrauterinen Darmperforationen mit intraperitonealem Austritt von Mekonium (Mekoniumperitonitis). Eigentliche intraluminale Verkalkungen von Mekonium bei Neugeborenen sind dagegen sehr selten.

Fallbeschreibung: Wir berichten über einen frühgeborenen Jungen der 33 Schwangerschaftswoche der bei vorzeitigem Blasensprung mittels Sectio entbunden wurde. Postnatal wurde der Junge bei hämodynamischer Instabilität und Zyanose ohne Spontanatmung intubiert und beatmet. Die durchgeführte Diagnostik ergab eine Analatresie mit vesikorektaler Fistel, eine Atresie der Harnröhre mit Nierenversagen, Pneumothorax und Pneumoperitoneum. Eine Laparotomie bei Verdacht auf Hohlorganperforation wurde durchgeführt, es konnte aber keine nachgewiesen werden. Die Ursache für das Pneumoperitoneum war ein rechtsseitiger Pneumothorax mit thorakoabdominaler Fistel. In gleicher Sitzung wurde eine Sigmoideostomie vorgenommen, um die Analatresie zu entlasten. Während dieses Eingriffs wurden die Enterolithen, die präoperativ auf Röntgenaufnahmen dargestellt wurden evakuiert. Der Urin wurde über einen suprapubischen Katheter abgelassen. Der postoperative Verlauf war bezogen auf die Darmfunktion ereignislos. Trotz Einlegen einer Thoraxdrainage persistierte jedoch die thorakoabdominelle Fistel mit deutlich erhöhtem intraabdominellem Druck und erschwerter mechanischer Beatmung. Das Kind starb am Tag 5 als Ergebnis eines Pneumoperikards. In den regulären pränatalen Ultraschalluntersuchungen war nur eine verdickte Darmwand als Hinweis für eine etwaige Atresie darzustellen gewesen, Zeichen für die weiter vorhandenen Fehlbildungen wurden nicht gesehen. Aufgrund des tödlichen Ausgangs in diesem Fall stellt sich die Frage, ob die Enterolithiasis pränatal darzustellen gewesen wäre: Die vorgeburtliche Diagnose von Enterolithiasis ist wegweisend für den Verdacht einer Analatresie mit Fistel und kann somit bei der Planung des postnatalen Managements helfen.

Diskussion: Fetaler Ultraschall ist leicht zugänglich und Screening-Instrument für fetale Missbildungen. Verkalkungen sind leicht zu erkennen: sicherlich ist es schwierig festzustellen, ob Verkalkungen intraluminal oder extraluminal liegen, aktuelle hochauflösende Sonografie und MRT-Geräte können jedoch noch bessere anatomische Details darstellen und erleichtern die Beurteilung von fetalen Anomalien.

Der Mechanismus, durch den intraluminales Mekonium verkalkt, ist der dass sowohl die längere Stase von Mekonium als auch die chemischen Reaktionen zwischen Urin und Mekonium eine bedeutende Rolle spielen. Enterolithiasis signalisiert damit eine breite Palette von Darm- und assoziierten Fehlbildungen. Fetale oder neonatale Enterolithiasis ist ein seltener Befund: Die meisten der bisher beschriebenen Fälle wurden bei Analatresie, urorektalen Fisteln und andere fetalen Fehlbildungen, insbesondere des urogenital und Darmtraktes gefunden. Der prä- oder postnatale Nachweis von Enterolithiasis hat eine schlechte Prognose: Er ist ein Warnsignal für assoziierte Anomalien – somit müssen angemessene diagnostische Untersuchungen zur endgültigen Diagnosestellung durchgeführt werden, vorzugsweise vor der Geburt.