Balint Journal 2010; 11(3): 91
DOI: 10.1055/s-0030-1247401
Leserbrief

© Georg Thieme Verlag Stuttgart ˙ New York

Offener Brief

Open LetterJ. Stoffel1
  • 1Praxis für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde, Sonthofen
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Publication Date:
01 September 2010 (online)

Gelesen in den letzten Tagen der Fastenzeit und an den Osterfeiertagen haben die Arbeiten der jungen Kolleginnen und Kollegen angemutet wie die Stationen eines Kreuzweges – hier gegangen durch engagierte und hoffnungsvolle junge Kol­leginnen und Kollegen auf den ersten Stationen eines offensichtlich leidvollen Weges durch die institutionalisierte menschliche Heilkunde. Und wollte ich das Beeindruckt-Sein reduzieren auf die Sprachgewandtheit, mit der hier vom fremden und eigenen Leid berichtet wird, wäre auch das zwar richtig, bliebe aber an der Oberfläche und würde nur die eigene Betroffenheit ver­decken, die hier in der Wieder-Erkennung des ­eigenen Berufsweges und des alltäglichen Erlebens entsteht im Gegenüber mit frustrierten, ­demotivierten Kollegen, verunsicherten Patienten aber auch dem eigenen Versuch, eine schützende Mauer vor jede allzu starke Emotion hochzuziehen – auch wenn in der Alltagspraxis eines niedergelassenen Zahnarztes die Schwere und Tiefe nie erreicht wird, wie sie die jungen Kolleginnen und Kollegen in der Klinik erlebt haben, allenfalls in der Ausübung der psychosomatischen Grundversorgung und Konsiliardienstes.

So möchte ich auch nach 30 Jahren mit der Kollegin Weinknecht fragen: Wie kann das sein, dass wir in unserer Aus- und Weiterbildung ständig mit oft fast exotischen Kuriositäten konfrontiert werden aber die eigentlichen Themen unserer Existenz, die unsere Patienten und uns selbst gleichermaßen beschäftigen, so sträflich vernachlässigt werden?! Und ich möchte hier die Übersetzung der Überschrift ihrer Arbeit deshalb etwa so anbieten: Alle unsere Vernunft („Raison“) gründet sich (wird zurückgeführt = reducere) auf die Gefühle.

Dass deshalb die Autorinnen und Autoren, die ihre Eindrücke, ja innersten Gefühle im Balint-Journal veröffentlicht haben, es schaffen mögen, bei ihren Einsichten und Ihrer Offenheit zu bleiben, in diesem Sinne ihren Beruf auszuüben und ihre Sicht der Dinge wo und wann immer es geht in die Öffentlichkeit zu tragen, ist nicht nur ihnen zu wünschen, sondern uns allen, die nicht nur Helfende, sondern oft genug auch selbst Hilfe-Suchende sind.

Dr. J. Stoffel

Zahnarzt · HP-Psychotherapie · Leiter von zahnärztlichen Balintgruppen Sonthofen
Praxis für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde · HP Psycho­therapie · Psychosomatische Grundversorgung / Konsiliardienst · Balintgruppen für ­Zahnärzte

Albert-Schweitzer-Straße 4

87527 Sonthofen-Rieden

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