Rofo 2010; 182(2): 103-105
DOI: 10.1055/s-0030-1247194
Bildessay

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Bildgebung pulmonaler Komplikationen der neuen Influenza A (H1N1)

Imaging of Pulmonary Complications of Novel Influenza A Infection (H1N1)D. Ketelsen, M. Haap, D. Overkamp, R. Beck, M. Horger
  • Tübingen
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Publication Date:
28 January 2010 (online)

Die sogenannte "Schweinegrippe" ist eine hochkontagiöse Infektion der Luftwege verursacht durch einen Subtyp des Influenza-A-Virus. Seit dem April 2009 verbreitete sich das Virus weltweit in mehr als 207 Ländern mit einer dokumentierten Zahl von 622 482 Neuerkrankungen und 7826 Todesfällen (Stand: 22. November 2009, Pandemic (H1N1) – update 76, World Health Organisation). Das Pandemie-Level 6 wurde von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) am 11. Juni 2009 ausgerufen.

H1N1-infizierte Patienten stellen sich nach einer Inkubationszeit von 1 bis 7 Tagen typischerweise mit folgenden Symptomen vor: Fieber, Husten, Halsschmerzen, Schüttelfrost, Kopfschmerzen, Tachypnoe, Myalgien und Arthralgien, Abgeschlagenheit, Müdigkeit und Diarrhoe vor (Gilsdorf A, Poggensee G. Euro Surveill 2009; 14). Als infektiös gelten erwachsene Patienten bei unkompliziertem Verlauf 1 Tag vor bis 7 Tage nach Beginn der klinischen Symptomatik. Während die Infektion der neuen Influenza in den meisten Fällen milde verläuft, treten selten auch schwere Verläufe bis hin zum respiratorischen Versagen und Exitus letalis auf. Diese Komplikationen treten vor allem bei Personen mit chronischen Herz- oder Lungenerkrankungen, Stoffwechselerkrankungen oder Immundefekten auf. Die Zeitspanne der Hospitalisation bis zu einer notwendigen mechanischen Beatmung beträgt bei Hochrisiko-Patienten häufig weniger als 24 h. In einer Analyse von 53 tödlich verlaufenden H1N1-Influenza-A-Infektionen im Kindesalter zeigte sich eine bakterielle Superinfektion bei 32 % der Patienten mit einer Dominanz von Staphylococcus aureus (Staph. aureus) und methicillinresistentem Staph. aureus (Wright PF, Kirkland KB, Modlin JF. N Engl J Med 2009; epub ahead of print). Im Unterschied zur saisonalen Influenza, welche überwiegend ältere Menschen und Kinder gefährdert, weisen epidemiologische Daten darauf hin, dass bei der neuen Influenza A (H1N1) vorwiegend jüngere Patienten und Personen mittleren Alters betroffen sind.

Die Laborparameter umfassen bei einer H1N1-Infektion eine Lymphopenie, erhöhte Konzentrationen der Lactatdehydrogenase, eine erhöhte Kreatinkinase und in seltenen Fällen eine Thrombozytopenie. Ein direkter Erregernachweis des neuen Influenzavirus A/H1N1 ist bei untypischen und schweren Verläufen mittels PCR aus einem Nasen- oder Rachenabstrich, gegebenenfalls auch aus Sekreten der unteren Atemwege, anzustreben.

Das Robert-Koch-Institut empfiehlt bei milden Krankheitsverläufen bei nicht vorerkrankten Patienten eine überwiegend symptomatische Therapie und gegebenenfalls die Gabe von Antibiotika bei einer bakteriellen Superinfektion. Bei Risikopatienten wird eine frühzeitige Therapie (innerhalb 48 h nach Symptombeginn) mit Neuraminidasehemmer (Oseltamivir und Zanamivir) empfohlen. Der M2- Membranproteinhemmer Amantadin ist nach den bisher vorliegenden Daten gegen das neue Influenzavirus A/H1N1 nicht wirksam. Die wirksamste Präventivmaßnahme ist eine Schutzimpfung, welche insbesondere für Beschäftigte in Gesundheitsdiensten und Wohlfahrtspflege, Personen mit erhöhter gesundheitlicher Gefährung infolge eines Grundleidens sowie Schwangere und Wöchnerinnen empohlen wird.

Die radiologischen Befunde pulmonaler Komplikationen der neuen Influenza wurden in wenigen Fallbeschreibungen dokumentiert mit einer großen Bandbreite an pulmonalen Veränderungen (Agarwal PP, Cinti S, Kazerooni EA. AJR Am J Roentgenol 2009; 193: 1488–1493; Ajlan AM, Quiney B, Nicolaou S et al. AJR Am J Roentgenol 2009; 193: 1494–1499; Mollura DJ, Asnis DS, Crupi RS et al. AJR Am J Roentgenol 2009; 193: 1500–1503). Diese umfassen uni- und bilaterale, fokale oder multifokale Veränderungen mit milchglasartigen Opazitäten (Ground-Glass Opacity (GGO)), Lungenparenchym-Konsolidierungen oder interstitiellen Lungengerüstveränderungen (Abb. [1], [2], [3], [4], [5]). Am häufigsten werden milchglasartige Opazitäten mit multifokalen Parenchymkonsolidierungen mit einer vorwiegenden Ausbreitung entlang des peribronchovaskulären Bündels, zentral (Lungenkern) oder subpleural beobachtet. Die milchglasartigen Opazitäten sind in erster Linie Ausdruck einer Dichteanhebung des interstitiellen Gewebes durch Flüssigkeit, Zellen, einen partiellen Alveolarkollaps oder ein gesteigertes kapilläres Blutvolumen. Zusätzlich werden oft lineare oder retikuläre Zeichnungsvermehrungen, respektive Verdickungen der Interlobulärsepten beschrieben. Letzteres wird ähnlich häufig wie die GGO im Zusammenhang mit viralen Lungeninfektionen beobachtet, ist schließlich jedoch nicht spezifisch. Aufgrund dessen müssen als mögliche Differenzialdiagnosen andere virale Pneumonien durch aktive respiratorische Viren oder Mykoplasmen, Clamydien und Legionellen erwogen werden. Interessanterweise fanden sich in den bisher publizierten Fälle und ebenfalls auch in unseren bisherigen Beobachtungen von Patienten mit gesicherter H1N1-Pneumonie kaum zentrilobuläre Nodularitäten oder das Tree-in-bud- Zeichen, welche sonst in der Fachliteratur bei Influenzainfektionen vorbeschrieben worden sind. Im Gegensatz zu einer klassischen Infektion der kleinen Luftwege (Bronchiolitis, Bronchitis) könnte dies Ausdruck einer höheren Virulenz dieses neuen Influenzavirus-Subtyps mit rascher zytotoxisch induzierter diffuser oder fokaler Alveolarschädigung sein. Weitere Merkmale dieser Pneumonie scheinen die hohe Infiltratdynamik sowie der wandernde Charakter zu sein. Im Falle einer bakteriellen Superinfektion sind lobuläre, segmentale oder lobäre Konsolidierungen mit peripheren milchglasartigen Opazitäten zu erwarten.

Abb. 1 Patientin mit gesicherter H1N1- Infektion. Konventionell-radiologische Verlaufsbeobachtung. Interstitielle Infiltrate beidseits perihilär mit Betonung des Lungenkerns und der Unterfelder (a). Während sich die Infiltrate nach 3 Tagen (b) weitgehend zurückbilden, treten nach weiteren 3 Tagen (c) zunehmende, linksbetonte Lungenparenchym-Konsolidierungen auf, welche 11 Tage später (d) karnifizierend kleinfleckig erscheinen. Residuelle fibrotische Veränderungen sind bei protrahiertem Verlauf möglich.

Abb. 2 Patientin mit gesicherter H1N1- Infektion. Die axialen CT-Schichten zeigen eine segmentale Lungenparenchym-Konsolidierung mit peripherer milchglasartiger Opazität des basalen Oberlappens (a) und ein vorwiegend interstitielles Infiltrationsmuster (b) im linken Unterlappen sowie Lingulasegmenten mit begleitendem kleinem Pleuraerguss.

Abb. 3 Intensivpflichtige Patientin mit gesicherter H1N1-Infektion. Die konventionellen Röntgenaufnahmen zeigen zum Aufnahmezeitpunkt ausgeprägte linksbetonte konsolidierende pneumonische Infiltrate mit positivem Bronchopneumogramm (a), welche sich nach 3 Tagen (b) zunehmend auflockern. Das zu diesem Zeitpunkt zusätzlich durchgeführte HR-CT zeigt auf den kranialen Schichten bilaterale milchglasartige Opazitäten mit fokalen linksbetonten Konsolidierungen (c) und lobär angeordneten Konsolidierungen (d) in den basalen Lungenabschnitten, vermutlich als Zeichen einer bakteriellen Superinfektion.

Abb. 4 Patient mit gesicherter H1N1- Infektion. Die axialen Schichten der durchgeführten HR-CT zeigen neben milchglasartigen, willkürlich verteilten Opazitäten ein Nebeneinander von fokalen (a, b) und lobären Konsolidierungen (c, d) mit positivem Bronchopneumogramm.

Abb. 5 Patient mit gesicherter H1N1- Infektion. Das initial durchgeführte HR-CT zeigt den Lungenkern bevorzugende, milchglasartige Veränderungen mit fokalen Konsolidierungen (a). Zwei Tage später (b) finden sich auf dem konventionellen Röntgenbild neben einer interstitiellen Zeichnungsvermehrung ein Konsolidierungsareal in den Lingulasegmenten. Nach weiteren 9 Tagen (c, d) hat sich das linksbetonte Infiltrat zurückgebildet mit zunehmenden interstitiellen Infiltraten des rechten Unter- und Mittellappens, welche sich nach weiteren 11 Tagen (e) langsam zurückbilden.

Eine Möglichkeit der Differenzierung ist eine begleitende mediastinale und hiläre Lymphadenopathie, welche in bisherigen Fallberichten untypisch für das Vorliegen einer H1N1- Pneumonie zu sein scheint. Das polymorphe Erscheinungsbild der neuen Influenzapneumonie entspricht am ehesten einem Nebeneinander verschiedener Evolutionsstadien mit atypisch lokalisierten, fleckigen milchglasartigen Opazitäten und zusätzlichen segmentalen und lobären Lungenparenchym-Konsolidierungen, am ehesten als Ausdruck einer viralen Pneumonie, welche im Verlauf von einer bakteriellen Superinfektion begleitet werden kann.

Ketelsen D, Haap M, Overkamp D, Beck R, Horger M, Tübingen

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