manuelletherapie 2010; 14(5): 225-227
DOI: 10.1055/s-0029-1245917
Erfahrungsbericht

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Überzeugend, unterhaltsam, hilfreich: A Day with Brian Mulligan

G. Supp1
  • 1PULZ im Rieselfeld, Freiburg
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Publication Date:
10 January 2011 (online)

Der 78-jährige Physiotherapeut Brian Mulligan aus Wellington/Neuseeland präsentierte im Herbst 2010 sich und sein Konzept während einer Europatour in 1-tägigen Workshops. Am 26.10.2010 war er beim Ulmkolleg zu Gast.

Mit großen Namen in der Physiotherapie ist es so eine Sache. Nicht selten verpassen die in die Jahre gekommenen Koryphäen den richtigen Zeitpunkt, aus der missionarischen Erstreihe zurückzutreten. Statt in Würde ihr Lebenswerk zu genießen, werden viele Urväter der Konzepte nicht müde, „ihre Erfindungen” breitzureden. Eine – in früheren Zeiten durchaus hilfreiche – Beharrlichkeit mutiert dann zum bloßen Dickschädel. Zusammen mit dem vollständigen Ignorieren neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse ergibt das bisweilen eine unangenehme Mischung. Schon einige Male habe ich auf Konferenzen erlebt, wie der angebrachte Respekt einem natürlich verbietet, kritische Fragen zu stellen oder Diskussionen tieferzutreiben. Das ist ein ungeschriebenes Gesetz und auch gut so. Nichtsdestotrotz hatte ich danach häufig das Gefühl, meine Zeit vertan zu haben. Mein hilfreiches Motto heißt für solche Fälle: „Man nimmt immer etwas mit!”

Zu A Day with Brian Mulligan nach Ulm fuhr ich also mit einigem Gleichmut und Respekt im Gepäck. Außerdem war ich mit einem Mulligan-Grundkurs präpariert, den ich vor gefühlten 30 Jahren belegt hatte. Von all dem brauchte ich allerdings nichts. Der Tag war die reine Freude. Erfrischend, herzlich, kompetent und unterhaltsam hielt das Energiebündel Mulligan 35 Therapeuten auf Trab.

Mulligan-Vorkenntnisse waren nicht vonnöten. Der agile Kiwi gab zu Beginn einen kurzweiligen Überblick zur Geschichte des Konzepts. Dabei verlor er sich nie in Selbstbeweihräucherungen, sondern gab unumwunden zu, dass es vor 30 Jahren eine Zufallsentdeckung war, die ihn auf die Spur der Mobilisation with Movement (MWM) gebracht hatte. Er verabreichte den Anwesenden einen Schnellkurs in MWM, garnierte jede Technik mit einem klinischen Tipp und hatte stets passende Fallbeispiele zur Hand. Wohltuend, dass der erfahrene Dozent permanent die Teilnehmer miteinbezog und sie alle Techniken selbst ausführen ließ ([Abb. 1]). Das deutsche Instruktorenteam Claus Beyerlein, Johannes Bessler und Carole Stolz unterstützte Mulligan beim Anleiten auf eine angenehm zurückhaltende Weise.

Abb. 1 McKenzie-Instructor Georg Supp bei der Ausführung einer Kombination von McKenzies Extension im Liegen und einem Mulligan Sustained Natural Apophyseal Glide (SNAG, gehaltenes natürliches Facettengleiten; Foto: A. Wenneker).

Mittlerweile gibt es einiges an wissenschaftlicher Evidenz zu Mulligans Vorgehen an Extremitäten und Wirbelsäule. Unbedingter Pluspunkt des Mulligan-Konzepts ist für mich, dass nicht einfach irgendwelche funktionsanatomischen Theorien in die Therapie übertragen werden, sondern es muss funktionieren und das möglichst sofort.

Echte Patienten behandelte Mulligan beim Workshop nicht. Da ab 30 kaum jemand ohne körperliche Befindlichkeitsstörungen daherkommt, fand er jedoch unter den Teilnehmern so manche Demonstrationsobjekte. Die „Miracles”, die der Neuseeländer in diesem Kontext zuverlässig erbringt, sind allerdings nicht so mein Ding. Für mich geht dies schon mal eher in die Richtung „Partytricks”. Neugierig machen die Spontanveränderungen aber schon, und dem witzigen selbstironischen Kerl verzeihe ich sogar seine persönliche Statistik, nach der er 95 % aller zu ihm kommenden Patienten helfen kann.

Mein Fazit: Ein toller Tag. Brian Mulligan ist ein Großer, und zwar nicht, weil er zaubern kann oder ein theoretischer Überflieger ist. Er bleibt stets am Boden und bringt mit seinem Vorgehen Logik und Pragmatik in die Physiotherapie. Darin übertrifft ihn wohl nur Robin McKenzie. Aber der ist ja auch zwei Jahre älter. Es kann also noch was werden, Brian. Well done!

Georg Supp

PT MT Dip. MDT, Senior Instructor McKenzie Institute International

Email: georg@pulz-freiburg.de

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