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DOI: 10.1055/s-0029-1245791
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York
Makulaforamen, Optikusatrophie, Keratokonjunktivitis sicca und bilaterale Cataracta complicata nach einer Hochspannungsverletzung
Macular Hole, Optic Neuropathy, Keratoconjunctivitis Sicca and Bilateral Cataract after High-Voltage InjuryPublication History
Eingegangen: 28.4.2010
Angenommen: 5.10.2010
Publication Date:
24 March 2011 (online)
Hochspannungsverletzungen können schwerste ophthalmologische Komplikationen wie die Cataracta electrica [1] [2] [3], Makulaforamen [4] oder eine Optikusatrophie [2] hervorrufen.
Es wird der Fall eines 36-jährigen Zugführers vorgestellt, der nach einem Zugunfall beim Leisten der ersten Hilfe bei verletzten Fahrgästen eine Hochspannungsverletzung erlitten hatte. Hierbei berührte das heruntergerissene Oberleitungskabel die rechte Schläfe des Zugführers.
Die zwei Stromeintrittsmarken waren an der rechten lateralen Augenbraue und an der rechten Schläfe lokalisiert. Die Austrittsstrommarken lagen am rechten Arm und am rechten Bein mit schwersten oberflächlichen und tiefen Verbrennungen 3. und 4. Grades, die im Verlauf der weiteren Behandlung extensive Hauttransplantationen an den Extremitäten notwendig machten.
Zwei Wochen nach dem Unfall wurde der Patient konsiliarisch in der Augenklinik vorgestellt, da er eine Visusverschlechterung auf dem rechten Auge bemerkt hatte.
Die Untersuchung ergab einen bestkorrigierten Visus von 0,4 rechts und 1,0 links. Die vorderen Augenabschnitte waren beiderseits unauffällig. Im Amsler Test beschrieb der Patient deutliche Metamorphopsien auf dem rechten Auge. Die Ophthalmoskopie des rechten Auges zeigte ein Makulaforamen Stadium 2 nach Gass und mit dem Patienten wurde ein Operationstermin zwei Wochen später vereinbart.
Als der Patient sich nach zwei Wochen zur Operation vorstellte (4 Wochen nach dem initialen Trauma) war der bestkorrigierte Visus auf dem rechten Auge auf 0,05 abgefallen. In der Spaltlampenmikroskopie zeigte sich nun eine fortgeschrittene intumeszente Katarakt. Bei der Ophthalmoskopie konnten am Fundus keine Details mehr erkannt werden.
Wir führten eine kombinierte no-stitch Phakoemulsifikation mit Anfärbung der vorderen Kapsel mit Vision blue® und eine Standard 3 Port no-stitch Pars-plana-Vitrektomie am rechten Auge durch. Intraoperativ zeigte sich ein Makulaforamen Stadium 3 nach Gass.
Nach Induktion der Ablösung der hinteren Glaskörpermembran wurde die Membrana limitans interna entfernt und am Ende der Operation 12 % C 3F8 Gas in den Glaskörperraum instilliert. Nach Resorption des Gases 4 Wochen postoperativ verschloss sich das Makulaforamen und der Visus stieg auf 0,4 an. Die intraokularen Druckwerte lagen hierbei ohne zusätzliche Medikation immer zwischen 8 und 14 mmHg.
Sieben Wochen später trat erneut ein Visusabfall ein. In der Funduskopie zeigte sich ein blasser Sehnerv mit engen Gefäßen am rechten Auge und eine normale Papille links. Weiterhin zeigten sich neue epiretinale Membranen, die zu einer Wiedereröffnung des Makulaforamens geführt hatten.
Die epiretinalen Membranen wurden ohne Anfärbung im Rahmen einer erneuten Pars-plana-Vitrektomie problemlos entfernt. Aufgrund der allgemeinen Rehabilitationsanforderungen, die aufgrund extensiver Hauttransplantationen eine Bauchlage unmöglich machten, wurde Silikonöl 5000 in den Glaskörperraum eingegeben. Der intra- und postoperative Verlauf war komplett komplikationslos. Postoperativ verschloss sich das Makulaforamen, aber nach einem initialen Visusanstieg verschlechterte sich der Visus innerhalb der nächsten Wochen weiter bis auf 1 / 40. Im Fundus zeigte sich eine Optikusatrophie bei normalen Druckwerten im Bereich von 8 – 12 mmHg auf diesem Auge.
Zusätzlich manifestierte sich am rechten Auge eine schwere Keratitis. Der Schirmer-I-Test rechts ergab einen Befund von 2 mm und von 17 mm am linken Auge, der die Diagnose einer schweren Keratokonjunktivitis sicca am rechten Auge bestätigte. Die Ursache der Keratokonjunktivitis sicca lag vermutlich in einer Schädigung des efferenten Schenkel der sekretorischen Reflexbogens (N. intermedius über den N. facials). Die Keratokonjunktivitis konnte erfolgreich mit künstlichen Tränenersatzmitteln behandelt werden.
Parallel hierzu entwickelte sich am kontralateralen, linken Auge ebenfalls eine Cataracta electrica. Die Katarakt des linken Auges 12 Wochen nach dem Unfall ist in [Abb. 1] gezeigt.
Abb. 1 Cataracta electrica des kontralateral der Stromeintrittsmarke gelegenen Auges 12 Wochen nach einer Hochspannungsverletzung (16 000 Volt).
Nach einer unkomplizierten Kataraktoperation verbesserte sich der bestkorrigierte Visus auf dem linken Auge von 0,2 auf 1,0. Am linken Auge kam es innerhalb der ersten beiden Jahre nach dem Unfall zu keinen weiteren pathologischen Manifestationen.
Man kann zusammenfassen, dass die Hochspannungsverletzung zu einem Makulaforamen, einer Optikusatrophie, einer Cataracta electrica und Keratokonjunktivitis sicca am ipsilateralen, und nach einem etwas längerem Zeitintervall zu einer Cataracta complicata electrica am kontralateral der Stromeintrittstelle liegendem Auge führte.
Bei dem vorgestellten Fall manifestierten sich daher alle aus der Literatur bekannten okulären Hochspannungskomplikationen. Zusätzlich ist dies aus unserem Kenntnisstand die erste klinische Beschreibung einer durch eine Hochspannungsverletzung induzierten Keratokonjunktivitis sicca.
Die endgültige funktionelle Prognose nach einer Hochspannungsverletzung hängt daher nicht nur von einer erfolgreichen Behandlung der Cataracta electrica, sondern auch vom Ausmaß der weiteren induzierten okulären Pathologien ab.
Interessenkonflikt: Nein
Literatur
- 1 Saffle J R, Crandall A, Warden G D. Cataracts: a long-term complication of electrical injury. J Trauma. 1985; 25 17-21
- 2 Biro Z, Pamer. Electrical cataract and optic neuropathy. Int Ophthalmol. 1994; 18 43-47
- 3 Reddy S C. Electric cataract: a case report and review of the literature. Eur J Ophthalmol. 1999; 9 134-138
- 4 Boozalis G T, Purdue G F, Hunt J L et al. Ocular changes from electrical burn injuries. A literature review and report of cases. J Burn Care Rehabil. 1991; 12 458-462
PD Dr. Tony Walkow
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