Pneumologie 2010; 64(6): 392
DOI: 10.1055/s-0029-1244199
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Asthmamortalität in Deutschland – eine kritische Bewertung

Asthma Mortality in Germany – A Critical EvaluationG.  Schultze-Werninghaus
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Publication Date:
07 June 2010 (online)

Am 3. 5. 2010 wurde in der BILD-Zeitung mit Unterstützung namhafter Pneumologen die Nachricht verbreitet, es stürben in unserem Lande jährlich 1500 Menschen an Asthma. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes für 2008 treffen diese Angaben zu. Die Zahlen entsprechen jedoch den pneumologischen Erfahrungen nicht, nach denen die Bedrohlichkeit des Asthma bronchiale seit langem abgenommen hat. Daher ist die aktuelle Nachricht der BILD-Zeitung – wie ähnliche Nachrichten über 6000 Asthmatote pro Jahr in früheren Jahren – wieder einmal ein Grund zur kritischen Bewertung der Mortalitätsangaben des Statistischen Bundesamtes und zu der Frage, ob diese Angaben in pneumologischen Fachkreisen genutzt werden sollten.

Wie sieht die Statistik des Statistischen Bundesamtes aus:

Aus [Abb. 1] geht hervor, dass die laut Todesbescheinigung 2008 an Asthma Verstorbenen überwiegend jenseits des 45. Lebensjahrs verstorben sind. Damit stellt sich die Frage, ob tatsächlich ein Asthmatod vorliegt, oder aber, ob andere Erkrankungen des höheren Lebensalters bei Patienten mit dem Symptom Luftnot die tatsächliche Todesursache gewesen sind. Das Maximum der als Asthmatod bescheinigten Todesursachen liegt bei einem Lebensalter von ca. 80 Jahren. Dies zeigt noch deutlicher, dass wahrscheinlich andere Todesursachen vorgelegen haben, die mit einer Dyspnoe verbunden waren, wie COPD und Herzinsuffizienz.

Bezogen auf die Bundesländer zeigen sich bemerkenswerte Unterschiede, insbesondere zwischen den alten und neuen Bundesländern ([Abb. 2]). Diese Unterschiede sprechen dafür, dass nicht tatsächliche Unterschiede der Asthmasterblichkeit, sondern unterschiedliche Gewohnheiten bei der Ausstellung von Todesbescheinigungen eine erhebliche Rolle spielen.

Zusammengefasst wird davor gewarnt, die Angaben des Statistischen Bundesamtes bezüglich der Asthmatodesfälle zur Grundlage eigener Aussagen zu machen. Es gibt genügende Indizien dafür, dass die Zahlen nicht repräsentativ sind.

Darüber hinaus wird zu bedenken gegeben, dass nicht gesicherte Zahlen keine sinnvolles Argument sind, die Bedeutung einer Erkrankung überzeugend einer laienhaften Öffentlichkeit darzustellen, und insbesondere, dass daraus keine unterschwellige Angst erzeugt werden darf.

Es gibt zu dieser Problematik bemerkenswerte Gerichtsurteile. Hierzu gehört ein Urteil des Landesgerichts Bielefeld vom 12. 8. 2008, AZ 10 O 36/08. Bei der Bewertung der Frage der Zulässigkeit einer Werbung für ein diätetisches Lebensmittel, das gleichzeitig gegen Bluthochdruck helfen solle, wurde u. a. ausgeführt, dass „insbesondere … die Furcht vor Krankheiten nicht für Werbeaussagen instrumentalisiert …” werden (dürfe). M. E. sollte dies auch bei Asthma bronchiale gelten.

Abb. 1 Statistisches Bundesamt: Todesfälle an Asthma bronchiale im Jahr 2008, ICD J 45, oder Status asthmaticus, ICD J 46, bei Männern und Frauen in Abhängigkeit vom Lebensalter.

Abb. 2 Statistisches Bundesamt: Todesfälle an Asthma bronchiale bzw. Status asthmaticus 2008: nach alten und neuen Bundesländern bzw. Berlin.

Prof. Dr. med. Gerhard Schultze-Werninghaus

Berufsgenossenschaftliches Universitätsklinikum Bergmannsheil GmbH, Medizinische Klinik III – Pneumologie, Allergologie, Schlaf- und Beatmungsmedizin

Bürkle-de-la-Camp-Platz 1, 44789 Bochum

Email: gerhard.schultze-werninghaus@bergmannsheil.de

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