RSS-Feed abonnieren
DOI: 10.1055/s-0029-1243032
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York
Zur Sicherheit von Influenza-Impfstoffen, deren Herstellungsprozess auf Zelllinien beruht
A note on the safety of influenca vaccines produced on cell linesPublikationsverlauf
Publikationsdatum:
18. November 2009 (online)
Das Auftreten und die pandemische Ausbreitung der Influenzavirus-Variante (H1N1v) führten umgehend dazu, dass der Entwicklung und Herstellung von Impfstoffen gegen dieses Virus gesundheitspolitische Priorität eingeräumt wurde. Die Hersteller reagierten darauf, indem mit Hochdruck an der Bereitstellung von Formulierungen für klinische Studien bzw. an der Produktion von Bulk-Impfstoff im großen Maßstab gearbeitet wurde, obwohl die endgültigen Anforderungen an die Formulierung der Präparate und die Vorgehensweisen zur Zulassung des Impfstoffs zu diesem Zeitpunkt unklar waren. Im Juli 2009 versicherten die Regulierungsbehörden in den USA, die auf bewährten Plattformen zur Herstellung von saisonalem Grippeimpfstoff produzierten Impfstoffe zuzulassen, wenn die üblichen Vorkehrungen hinsichtlich des Austausches der Virusstämme getroffen würden – Maßnahmen, wie sie auch für die jährliche Umstellung auf neue Virusstämme in der saisonalen Formulierung gelten.
In Europa gibt es ein ähnliches, aber spezifischeres Zulassungsverfahren. Hier waren bereits einige Pandemieimpfstoffe auf der Grundlage von Herstellungsdaten und klinischen Daten für H5N1-Kandidatenimpfstoffe und nach Einreichung entsprechender Musterdossiers (so genannte „Mock-up”-Dossiers) zugelassen worden. Die H1N1v-Versionen dieser Produkte beruhen daher lediglich auf einem anderen Virusstamm, was ihre Zulassung vereinfachte. Wichtig ist, dass beide Zulassungsverfahren keine klinischen Studien verlangen, da der gesamte Herstellungsprozess bereits genehmigt ist und im Rahmen der Lizenzen bestehender Impfstoffprodukte klinische Daten zur Immunogenität und Sicherheit vorliegen. Gleichwohl wurden klinische Studien initiiert, um die optimale Dosis und das günstigste Impfschema zu ermitteln. Darüber hinaus werden in Dosisfindungsstudien adjuvierte Formulierungen geprüft. Ziel ist es, herauszufinden, ob sich die Antigenmenge möglicherweise reduzieren lassen könnte, um damit den weltweit verfügbaren Impfstoffvorrat zu erhöhen. Zur Zeit der Erstellung dieses Beitrages sind erste Ergebnisse aus klinischen Studien bereits veröffentlicht worden.
Gesundheitsbehörden und ihre Zulassungsstellen sowie die Hersteller reagierten also alle rasch auf den öffentlichen Gesundheitsnotstand, um gemeinsam dafür zu sorgen, dass die ersten Mengen eines möglicherweise lebensrettenden Impfstoffes vor dem Wiederauftreten der Pandemie in der Nordhalbkugel zum Winter 2009/2010 zur Verfügung stehen können. Dessen ungeachtet haben kritische Stimmen, die zweifelsohne in die so genannte „Regenbogenpresse” einzuordnen sind, den Herstellern vorgeworfen, Impfstoffe der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, deren Sicherheit nicht ausreichend geprüft sei. In einigen Berichten, insbesondere in der deutschen Presse, die inzwischen auch im Ausland aufgegriffen worden sind, wurde behauptet, dass Novartis, der weltweit zweitgrößte Anbieter von Grippeimpfstoffen, bei der Durchführung klinischer Studien mit dem Pandemieimpfstoff auf Zellkulturbasis (Celtura®) Vorschriften umgangen und Sicherheitsvorkehrungen ignoriert habe. Insbesondere wurde das Gerücht geschürt, dieser aus Zellkulturen gewonnene Impfstoff sei krebserregend.
Was bei dieser Art von Panikmache unerwähnt blieb, ist der Unterschied zwischen der „Unsterblichkeit” von Zellen in einer Dauerzelllinie und dem Verhalten von Krebszellen. So wird behauptet, die Madin-Darby-Zelllinie aus der Hundeniere (MDCK-Zelllinie), die Novartis bei der Herstellung ihres lizenzierten saisonalen Impfstoffs und auch zur Herstellung eines H1N1v-Impfstoffes einsetzt, könne bei den Geimpften Krebs verursachen. Derartige irreführende Behauptungen dürfen nicht unkommentiert bleiben und nicht einfach ohne eine auf Fakten beruhende Gegenargumentation abgetan werden, zumal sie bei einigen praktizierenden Ärzten Gehör finden und die Öffentlichkeit das Recht hat, von ihren eigenen qualifizierten Gesundheitsdienstleistern direkte Aufklärung zu erhalten.
Literatur
- 1 Food and Drug Administration USA. http://www.fda.gov/ohrms/dockets/ac/05/slides/5-4188S1_5.pdf Stand: 26. Aug 2009.
- 2 Gregersen J P. A quantitative risk assessment of exposure to adventitious agents in a cell culture-derived subunit influenza vaccine. Vaccine. 2008; 26 3332-40
- 3 Gregersen J P. A risk-assessment model to rate the occurrence and relevance of adventitious agents in the production of influenza vaccines. Vaccine. 2008; 26 3297-304
Prof. Heinz-Josef Schmitt MD MPH FIDSA
T. F. Tsai
Dr. M. Bröker
Novartis Vaccines & Diagnostics GmbH
Emil-von-Behring-Straße
76
35041 Marburg
eMail: Joe.Schmitt@Novartis.com