Z Orthop Unfall 2009; 147(5): 524
DOI: 10.1055/s-0029-1242060
Orthopädie und Unfallchirurgie aktuell

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart ˙ New York

Die großen Herausforderungen des Alltags - Komplikationen in Orthopädie und Unfallchirurgie

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Publication Date:
09 October 2009 (online)

 

Ein Interview mit Prof. C. J. Wirth und Prof. W. Mutschler

Prof. Dr. C.J. Wirth

Prof. W. Mutschler

Komplikationen zählen zu den großen Herausforderungen des beruflichen Alltags.

Zu diesem spannenden wie bedeutenden Thema veröffentlichen die renommierten Professoren C. J. Wirth und W. Mutschler zusammen mit ihren Kollegen Bischoff und Püschmann und dem Juristen Neu ein umfassendes Referenzwerk zum diesjährigen DKOU. Mit der Neuerscheinung erschließt das Team aus bekannten Spitzenautoren literarisches Neuland. In diesem Interview erklären sie, warum ihnen das Thema so wichtig ist.

? Lieber Herr Professor Wirth, lieber Herr Professor Mutschler, für dieses Projekt haben Sie als Herausgeber eine Vielzahl namhafter Autoren gewinnen können. Warum ist das Thema aktueller denn je?

Komplikationen sind ein nicht zu beschönigender oder vernachlässigbarer Teil unserer ärztlichen Tätigkeit. Betroffen sind vor allem die operativen Fächer Chirurgie, Unfallchirurgie und Orthopädie, in Kliniken doppelt so häufig wie in Praxen. Seit der Kampagne "Aus Fehlern lernen" des Aktionsbündnisses Patientensicherheit 2008 sind nicht nur Ärzte dazu ermutigt worden, sich zu eigenen Versäumnissen zu bekennen, sondern auch Patienten, vermutete Missgeschicke in der Versorgung bei Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen der Ärztekammern vorzutragen. Die daraus gewonnen und in einer Bundesstatistik zusammengeführten Daten leisten einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung der Fortbildung und Qualitätssicherung. Was bisher auch fehlte, war eine systematische Aufarbeitung von Zahlen zu Komplikations- und Fehlerhäufigkeiten, was unsere Autoren jetzt in mühevoller Arbeit zusammengestellt haben.

? Das Werk ist das erste, welches sich mit diesem Thema im deutschsprachigen Raum umfassend beschäftigt. Warum wurde bislang die Auseinandersetzung mit Komplikationen scheinbar vermieden?

"Scheinbar" ist der richtige Ausdruck. In seriösen Publikationen, Büchern und Vorträgen wurden und werden die Komplikationen beim Namen genannt. Aber dies geschieht in der Wahrnehmung des Lesers und der Öffentlichkeit eher implizit und nicht explizit. Daraus entsteht dann der Eindruck, als ob die Autoren lieber über Behandlungserfolge als über Misserfolge berichten und wenig Probleme mit dem Komplikationsmanagement im ärztlichen Alltag hätten. Die Bedenken, dass das Bekenntnis zu eigenen Fehlern Zündstoff liefern würde für Patienten, Krankenkassen, Juristen und Politiker, waren bislang Hinderungsgründe für die öffentliche Auseinandersetzung mit Komplikationen und Behandlungsfehlern.

? Wie haben Sie das Ziel erreicht, mit dem neuen Werk die Berührungsängste abzubauen?

Zunächst einmal dadurch, dass die Begriffe klar benannt werden. Risiko, Komplikation, Behandlungsfehler, unvermeidbarer und vermeidbarer Schaden werden ja oft willkürlich benutzt und vor allem in ihrer Kausalität vermengt. Das neue Werk soll nüchtern und sachlich die Analyse der Behandlungsfehler, die Strategien zur Vermeidung von Komplikationen und Fehlern und die Wege, die nach Eintritt eines Fehlers einzuschlagen sind, erkennbar machen. Dies soll dazu dienen, Spannungsfelder zwischen Arzt, Patient und Rechtssprechung offenzulegen und berufsspezifische Verständigungsprobleme und unterschiedliche Denkweisen zwischen Ärzten und Juristen aufzuzeigen.

? Richtet sich das Werk dabei besonders an junge Fachärzte, oder können auch "alte Hasen" davon lernen?

Die Komplikation ist oft das Resultat eines ungünstigen Spontanverlaufs einer Erkrankung oder einer Verletzungsfolge. Der unerwünschte Verlauf kann aber auch gefördert werden durch Mangel an Erfahrung, durch Mangel an Kenntnis und durch Mangel an Sorgfalt der Behandler. Deshalb sollen Ärzte in der Ausbildung frühzeitig mit möglichen Komplikationen ihrer ärztlichen Tätigkeit konfrontiert werden, um Vermeidungsstrategien zu erlernen und damit die Qualität der Behandlung zu steigern. Aber auch die langjährig tätigen Ärzte in Praxis und Klinik, die selbstverständlich nicht frei von Fehlern sind, müssen sich der Fehlerkultur stellen, um die Existenz von Missständen einzugestehen und selbstkritisch nicht jeden Misserfolg als schicksalsmäßig abzutun. Gerade auf dem Gebiet der Struktur- und Prozessqualität und als Gutachter sind die "alten Hasen" in leitenden Positionen gefordert.

? Welche Entwicklungen wünschen Sie sich für die Zukunft?

Die Qualität der medizinischen Versorgung muss noch sicherer werden. Dazu soll dieses Buch für die chirurgischen Fächer Orthopädie und Unfallchirurgie dienen. Gleichzeitig soll es dazu anregen, neue Entwicklungen mit einem grundsätzlichen Gefahrenpotenzial kritisch zu begleiten. Schließlich wäre zu wünschen, dass es Missverständnisse und Spannungen zwischen Ärzten, Patienten und Juristen abbauen hilft, denn die Zahl der Auseinandersetzungen beruht zu einem erheblichen Teil auf differenten Ausgangspositionen.

Das Interview führte Herr Thorsten Kemm, Mitarbeiter der Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart, August 2009.

Komplikationen in Orthopädie und Unfallchirurgie

vermeiden – erkennen – behandeln

Wirth/Mutschler/Bischoff/Püschmann/Neu

2010, 628 S., ca. 950 Abb., geb.

ISBN 978 3 13 148751 3

Vorbestellpreis bis 21.01.2010: 169,95 € [D]

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