Zeitschrift für Komplementärmedizin 2010; 2(1): 22-23
DOI: 10.1055/s-0029-1240791
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Pro & Kontra: Immunisierung gegen onkogene humane Papilloma-Viren (HPV)

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Publication Date:
27 January 2010 (online)

Pro

PD Dr. med. habil. Werner Behrendt
Frauenarzt, Zytologe, Impfarzt
Am Steinacker 7
63454 Hanau
PD_Behrendt@t-online.de

Eine wissenschaftliche Meisterleistung: Die erste Impfung gegen Krebs

Jährlich erkranken weltweit mehr als 270 000 Frauen an Gebärmutterhalskrebs (Stadium I a und höher). Davon sind allein in Deutschland etwa 6500 Fälle zu beklagen. Ursache für diese Tumorerkrankungen sind onkogene humane Papilloma-Viren (HP-Viren), von denen bisher mehr als 100 Typen bekannt sind. Die Virustypen 6, 11, 16 und 18 verursachen mehr als 85 % aller Tumoren am Gebärmutterhals.

Zur Immunisierung ist seit über 2 Jahren eine Impfung möglich, die allen Mädchen im Alter von 12–17 Jahren verabreicht werden sollte. Nach Möglichkeit vor dem 1. Sexualverkehr, was allerdings keine Bedingung, sondern lediglich eine Empfehlung des Robert Koch-Instituts (RKI) ist. Die Kosten für die Impfung übernehmen die Krankenkassen. Allerdings müssen die Eltern in Vorlage für das Medikament sowie auch für die Impfleistung treten, denn die Verordnung über ein Kassenrezept ist verwaltungstechnisch noch nicht geregelt. Für Minderjährige bis zum 17. bzw. 18. Lebensjahr ist die Kostenübernahme gesetzlich, d. h. verbindlich geregelt. Einzelne Betriebskrankenkassen übernehmen manchmal bis zum Alter von 26 Jahren die Kosten.

Für einen ausreichenden Schutz werden 3 Impfungen benötigt: Zunächst erfolgt die Grundimmunisierung, 2 Monate später die 1. Folgeimpfung und weitere 4 Monate später die 2. Folgeimpfung. Diesen Zeitrahmen empfiehlt es sich ziemlich genau einzuhalten, da alle Studien in diesem Zeitrahmen geprüft worden sind. Offen bleibt bisher, ob nach z. B. 10 Jahren eine Auffrischimpfung erfolgen sollte.

Macht diese Impfung Sinn?

Die Impfung ist von sehr großer Bedeutung. Es ist zu erwarten, dass bei guter Durchimpfung der Mädchen die Zahl der Gebärmutterhalstumoren langfristig um ⅔ der aktuellen Erkrankungen reduziert werden kann. Dabei ist jedoch zu bedenken, dass die momentan verfügbaren Impfstoffe nur gegen 2 (HPV 16 und 18; Cervarix®) bzw. 4 HPV-Typen (HPV 6, 11, 16 und 18; Gardasil®) gerichtet sind. Damit bleibt natürlich eine Impflücke für die nicht im Impfstoff erfassten Virustypen.

Wie bei allen Impfungen treten unerwünschte Nebenwirkungen nur selten an der Impfstelle selbst und ganz selten generalisiert auf. Sie sind nicht ernsthaften Charakters. Bei fieberhaften Zuständen, bei Überkonsum von Drogen und/oder Alkohol sollte man zurückhaltend sein, denn hier ist nicht bekannt, ob eine Impfprophylaxe wirkt. In der Schwangerschaft wird von der Impfung ebenfalls abgeraten, hier liegen keine ausreichenden Beobachtungen vor.

Ist eine Untersuchung zur Krebsfrüherkennung noch notwendig?

Ob eine Immunisierung die Vorsorgeuntersuchung entbehrlich macht bzw. diese Untersuchung nach der Impfung vernachlässigt werden kann, ist eindeutig mit Nein zu beantworten! Bei der Vorsorgeuntersuchung wird nicht nur nach den Zellkernen der abgeschilferten Zellen mit vergrößerten Kernen, den Dysplasien, geschaut. Es werden auch die Vaginalflora betrachtet, die Anamnese erfragt und Dysbalancen erörtert. Zusätzlich sollte bei der Vorsorgeuntersuchung auch eine ausführliche gynäkologische Beratung erfolgen, entsprechend dem Bedarf der Patientin.

Bis zu welchem Alter impfen?

Diese Frage ist ziemlich schwer zu beantworten und es gibt hierzu keinerlei verbindliche Empfehlungen. Folgendes wäre vorstellbar: Da die HP-Viren in den meisten Fällen beim Geschlechtsverkehr übertragen werden, sollte die Immunisierung den gesamten Zeitraum der üblichen Sexualphase abdecken. Das bedeutet von der Jugend an bis etwa zum Ende der Menstruationsblutungen, denn denken muss man hierbei auch an die Sexualfrequenz, evtl. häufige Partnerwechsel und ein Fremdgehen der Männer. Es können auch Frauen geimpft werden, die bereits virusbedingte Zellkernveränderungen hatten.

Problem: Aufklärung

Ein großes Problem ist, die jungen Mädchen zu erreichen und aufzuklären. Bei den Kinderärzten sind sie nicht mehr regelmäßig in der Sprechstunde, bei den Frauenärzten häufig noch nicht angekommen. Wir Frauenärzte haben einen Zugang zu den Mädchen, wenn sie Kontrazeptiva wünschen bzw. wenn ihre Mütter in unsere Sprechstunde kommen. Sollte eine Aufklärung in der Schule erfolgen, in der Presse oder in den Fernsehmedien? All dies geschieht, aber dennoch gibt es unzureichend aufgeklärte Mütter bzw. deren Kinder.

Literatur

PD Dr. med. habil. Werner Behrendt Frauenarzt, Zytologe, Impfarzt

Am Steinacker 7

63454 Hanau

Email: PD_Behrendt@t-online.de

Prof. Dr. med. Ingrid Mühlhauser

Univ. Hamburg, MIN Fakultät, Institut für Pharmazie, Gesundheitswissenschaften

Martin-Luther-King-Platz 6

20146 Hamburg

Email: Ingrid_Muehlhauser@uni-hamburg.de