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DOI: 10.1055/s-0029-1240782
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York
Nicht traumatische Notfälle in der Augenheilkunde
Publikationsverlauf
Publikationsdatum:
23. Februar 2010 (online)
Kernaussagen
Visusverlust
Das dramatischste Ereignis visueller Störungen ist der Visusverlust.
Anamnestische Angaben wie Zeitpunkt des Ereignisses, Art der Änderung des Seheindrucks (zum Beispiel Verdunkelung oder verschwommenes Bild), Metamorphopsien oder assoziierte Schmerzen enthalten meist schon die Information, ob es sich um eine Erkrankung der optisch brechenden Medien, der Retina oder des Sehnervs handelt.
Zentralarterienverschluss (ZAV)
Der ZAV ist eine seltene Ursache eines einseitigen plötzlichen Visusverlusts und eine seltene Ursache für eine Erblindung.
Es existiert kein generell akzeptiertes und standardisiertes Therapieregime.
Als konventionelle konservative Behandlungsoptionen stehen minimalinvasive therapeutische Sofortmaßnahmen (zum Beispiel Bulbusmassage, Senkung des intraokulären Druckes, Hämodilution, Behandlung mit Gerinnungs- oder Thrombozytenaggregationshemmern) zur Verfügung.
Bei den möglichen Thrombolyseverfahren war in der prospektiven, randomisierten Multicenterstudie der European Assessment Group for Lysis in the Eye kein Vorteil der intraarteriellen Thrombolyse im Vergleich zu einem konservativen Behandlungsschema nachweisbar.
Eine Sehverbesserung in Fallberichten und -serien bei 30 bis 40 % der Patienten mit nichtarteriitischem ZAV nach einer intravenösen Thrombolyse ist bisher in keiner prospektiven randomisierten Studie bestätigt worden.
Zentralvenenverschluss (ZVV)
Ein Zentralvenenverschluss wird über einen subakuten schmerzlosen massiven Visusverlust symptomatisch.
Für den akut aufgetretenen ZVV existiert derzeit keine standardisierte evidenzbasierte Behandlungsleitlinie.
Die Hämodilution ist die derzeit am besten untersuchte Behandlungsoption mit Aussicht auf eine Visusverbesserung, wenn diese innerhalb der ersten 6 Wochen nach Auftreten der Symptomatik stattfindet.
Ablatio retinae
Eine Netzhautablösung äußert sich klinisch durch einen subakuten Visusverlust mit einem progredienten Gesichtsfeldausfall, deren Vorboten die Wahrnehmung von Flimmern, Blitzen oder „Rußregen“ sind.
Die Therapie einer rhegmatogenen Netzhautablösung erfolgt chirurgisch durch eindellende Operationen oder die chirurgische Entfernung des Glaskörpers (Pars-plana-Vitrektomie).
Neuritis nervi optici (NNO)
Die typische NNO betrifft junge Erwachsene im Alter von 18 bis 45 Jahren. Die Patienten bemerken einen akuten einseitigen Visusverlust, der mit einem ipsilateralen Augenbewegungsschmerz assoziiert ist.
Eine Megadosis-Steroidtherapie erfolgt bei Therapiewunsch des Patienten zur beschleunigten visuellen Rehabilitation und bei nachgewiesener Multipler Sklerose (MS) zur Verzögerung weiterer MS-Schübe.
Bei einer typischen NNO ist eine weiterführende neurologische Diagnostik und Behandlung der Patienten erforderlich.
Anteriore ischämische Optikusneuropathie (AION)
Die AION ist durch eine plötzliche schmerzlose Visusminderung, ein Papillenödem und einen Nervenfaserbündelausfall des Gesichtsfelds gekennzeichnet. Man unterscheidet eine arteriitische Form (A-AION), die im Verlauf einer Arteriitis temporalis auftritt, und eine nicht arteriitische Form (N-AION).
Die Therapie der A-AION besteht in der unmittelbaren und hoch dosierten Steroidgabe, wobei keine einheitlichen Therapieempfehlungen zu Dosierung und Therapiedauer existieren.
Ein standardisiertes kausales Therapiekonzept existiert für die N-AION nicht. Die Gabe systemischer Steroide in der akuten Phase der Erkrankung wird empfohlen. Die Abklärung und Behandlung kardiovaskulärer Risikofaktoren ist essenziell.
Akute Diplopie
Die akute Doppelbildwahrnehmung ist das wichtigste Symptom aller Augenbewegungsstörungen.
Infranukleäre Motilitätsstörungen führen zum Lähmungsschielen mit visuellen Orientierungsstörungen infolge binokularer Diplopie, Konfusion und einer kompensatorischen Kopfzwangshaltung zur Diplopievermeidung.
Die supranukleären Strukturen haben die Aufgabe, beide Augen zu koordinieren und die Innervationsmuster für die verschiedenen Augenbewegungsarten (Blickzielbewegungen, Folgebewegungen und optokinetischer Nystagmus) herzustellen.
Die kausale Therapie der Augenbewegungsstörungen richtet sich nach der Grunderkrankung.
In der Akutphase erfolgt bei störender Diplopie die Okklusion des paretischen Auges. Eine Anpassung von Prismengläsern ist möglich, wenn die Motilitätsstörung horizontal und vertikal einen Schielwinkel von 10 Grad nicht überschreitet.
Eine Strabismusoperation ist dann zu erwägen, wenn nach einer Regressionsphase (bis zu einem Jahr) weiterhin eine Diplopie beim Geradeausblick besteht, die durch Prismengläser nicht zu korrigieren ist.
Anisokorie
Die Basisdiagnostik der Pupillomotorik umfasst die Prüfung der direkten Lichtreaktion beider Pupillen und der Pupillenweiten bei 2 Helligkeitsbedingungen als Tests efferenter Pupillenstörungen.
Der interokuläre Vergleich der direkten Lichtreaktionen (Wechselbelichtungs- oder Swinging-Flashlight-Test) prüft das afferente Pupillensystem im Seitenvergleich.
Bei intakter Lichtreaktion und einer Anisokorie ist eine Störung des Sympathikus (Horner-Syndrom) von einer physiologischen Anisokorie pharmakologisch durch den Kokaintest zu unterscheiden.
Bei einer ein- oder beidseitigen Störung der Lichtreaktion ist die Prüfung der Nahreaktion obligat.
Ursachen einer einseitig gestörten Lichtreaktion sind Störungen der Irisfunktion, Okulomotoriusparese, einseitige Pupillotonie.
Ursachen einer beidseitig gestörten Lichtreaktion sind Mittelhirnläsion, Argyll-Robertson-Pupillen oder beidseitige Pupillotonie.
Ist die Lichtreaktion ebenso gestört wie die Nahreaktion, handelt es sich um eine Okulomotoriusparese, eine Irisläsion oder ein Parinaud-Syndrom II.
Ist die Nahreaktion weniger gestört als die Lichtreaktion (Licht-Nah-Dissoziation), liegt eine Pupillotonie, eine Mittelhirnläsion oder ein Parinaud-Syndrom I vor.
Rotes Auge
Die Ursachen für ein „rotes Auge“ können sehr vielfältig und die einzelnen Erkrankungen eher harmlos, aber auch visusbedrohend sein.
Bei jeder Rötung der Bindehaut ist zu klären, ob eine Beteiligung der Hornhaut oder sogar eine intraokulare oder intraorbitale Entzündung vorliegt.
Jedes rote Auge sollte augenärztlich untersucht werden.
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Dr. med. Ina Sterker
Klinik und Poliklinik für Augenheilkunde
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