Suchttherapie 2009; 10 - PO59
DOI: 10.1055/s-0029-1240486

Migration und Sucht – retrospektive Analyse von Entgiftungsbehandlungen bei Migranten an der Universitätsklinik Tübingen

AM Rapp 1, AM Gaenslen 2, S Collins 1, A Batra 1
  • 1Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Tübingen, Tübingen
  • 2Universitätsklinik für Neurologie, Tübingen, Tübingen

Migration findet als Risikofaktor für psychiatrische Erkrankungen zunehmendes Interesse. Eine Besonderheit in Deutschland ist der hohe Zuzug von Aussiedlern innerhalb der letzten beiden Jahrzehnte, insbesondere aus Staaten der ehemaligen Sowjetunion. Die Zahl der Drogentoten unter den Aussiedlern war in den letzten Jahren erheblich. Obwohl Entgiftungsbehandlungen bei Migranten und Aussiedlern häufig als „schwierig“ gelten, exisitieren bis her nur wenig wissenschaftliche Untersuchungen zu den Charakteristika von Entgiftungsbehandlungen bei opiatabhängigen Aussiedlern. Ziel dieser Untersuchung war, die Prävalenz und Charakteristika von Migranten und Aussiedlern an der Universitätsklinik Tübingen, einer Klinik mit Regelversorgungsauftrag, zu erfassen.

In einer retrospektiven Untersuchung wurden alle stationären Entgiftungsbehandlungen bei Opiatabhängigkeit zwischen dem 1.10.2002 und dem 1.10.2004 erfasst und der Einfluss einer Migration untersucht (n=399).

Der Gesamtanteil der Patienten mit Migration betrug 39% (14% Aussiedler, über wiegend aus dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion, 25% Migranten aus an deren Staaten, überwiegend aus dem Mittelmeerraum). Aussiedler aus osteuropäischen und GUSStaaten waren zum Zeitpunkt der Aufnahme signifikant jünger und hatten eine signifikant kürzere Dauer der Abhängigkeit als Deutsche ohne Migrationshintergrund. Weniger als 30% der Aussiedler waren bereits im Heimatland opiatabhängig. Aussiedler beendeten die Therapie häufiger durch Behandlungsabbruch (55% Behandlungsabbrüche bei Aussiedlern, 36% bei Deutschen ohne Migration). Migranten stellen einen relevanten Anteil der Patienten mit Opiatabhängigkeit und unterscheiden sich in einigen prognoserelevanten Variablen. Die Ergebnisse werden im Zusammenhang mit nationaler und internationaler Literatur diskutiert. Weitere Studien zum Einfluss des Faktors Migration sollten insbesondere motivationale Faktoren berücksichtigen.

Literatur: Alexandra Gaenslen Migration und Sucht: Migranten als schwierige Patienten? Vdm Verlag Dr. Müller, 2008.