Suchttherapie 2009; 10 - S134
DOI: 10.1055/s-0029-1240275

Sexualhormone und Alkoholabhängigkeit: Triplet-Repeat im Bereich des Androgenrezeptors beeinflusst Craving im Alkoholentzug

B Lenz 1, H Frieling 1, T Hillemacher 2, MAN Muschler 2, J Kornhuber 1, S Bleich 2
  • 1Psychiatrische und Psychotherapeutische Klinik, Universitätsklinikum Erlangen, Erlangen
  • 2Medizinische Hochschule Hannover; Klinik für Psychiatrie, Sozialpsychiatrie und Psychotherapie, Hannover

Die gonadale Wirkung von Alkohol ist gut untersucht. Testosteron im Serum vermindert sich sowohl bei akutem als auch bei chronischem Konsum. Bei Männern führt chronische Applikation klinisch zu Hypogonadismus, Fertilitätsstörung und Feminisierung. Der Einfluss von Sexualhormonen auf den Alkoholentzug selbst ist jedoch bisher nur wenig untersucht.

In der kodierenden Sequenz des Androgenrezeptors findet man einen funktionell bedeutsamen Trinukleotidrepeat (CAG). Dieser beeinflusst die Interaktion zwischen Rezeptor und aktivierenden Sexualhormonen. Ziel der vorliegenden Studie ist es, den Einfluss dieses Polymorphismus auf die Pathogenese von Alkoholabhängigkeit, Entzug und Craving zu untersuchen.

In die Studie wurden 112 männliche Patienten, die zur stationären Entgiftung aufgenommen wurden, eingeschlossen (Franconian Alcoholism Research Studies). Craving wurde mit der Obsessive Compulsive Drinking Scale am Tag der stationären Aufnahme, sowie nach sieben Tagen stationärer Alkoholentzugsbehandlung erfasst.

Die linearen Regressionsanalysen (schrittweise vorwärts) lieferten sowohl bezüglich totalem als auch obsessivem Craving eine signifikant negative Korrelation mit der Repeatlänge des Androgenrezeptors. Andere Variablen zeigten keinen signifikanten Einfluss. Im Vergleich zur gesunden Kontrollgruppe ergab sich kein signifikanter Unterschied.

Auf die Fähigkeit von Sexualhormonen, cerebrale Prozesse zu modulieren, weist die Tatsache hin, dass der Androgenrezeptor im Hippocampus ähnlich häufig exprimiert ist wie in der Prostata. Bei Ratten induziert die Injektion von Testosteron in den Nucleus accumbens Belohnungslernen. Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass eine geringe Anzahl von untersuchten Repeats Craving im Alkoholentzug verstärken und eine große Anzahl hingegen einen Schutzfaktor darstellen könnte. Die Bedeutung von Sexualhormonen und ihrer genetischen Regulation für Alkoholabhängigkeit scheint zum heutigen Zeitpunkt noch unterschätzt.

Literatur: Anton, R.F., Moak, D.H., Latham, P.K., 1996. The obsessive compulsive drinking scale: a new method of assessing outcome in alcoholism treatment studies. Arch. Gen. Psychiatry 53, 225—231. Beyenburg, S., Watzka, M., Clusmann, H., Blumcke, I., Bidlingmaier, F., Elger, C.E., Stoffel-Wagner, B., 2000. Androgen receptor mRNA expression in the human hippocampus. Neurosci. Lett. 294, 25—28. Chamberlain, N.L., Driver, E.D., Miesfeld, R.L., 1994. The length and location of CAG trinucleotide repeats in the androgen receptor N-terminal domain affect transactivation function. Nucleic Acids Res. 22, 3181—3186. Packard, M.G., Cornell, A.H., Alexander, G.M., 1997. Rewarding affective properties of intra-nucleus accumbens injections of testosterone. Behav. Neurosci. 111, 219—224. Seidman, S.N., Araujo, A.B., Roose, S.P., McKinlay, J.B., 2001. Testosterone level, androgen receptor polymorphism, and depressive symptoms in middle-aged men. Biol. Psychiatry 50, 371—376.