Rofo 2009; 181(9): 842-843
DOI: 10.1055/s-0029-1239612
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Verhalten im Schadensfall - Juristische Erste Hilfe (Teil 1)

Dr. Jur. Hermann Fenger
  • Münster
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Publication Date:
23 September 2009 (online)

 

Im Allgemeinen wurde bisher das Beschäftigungsfeld eines Arztes damit beschrieben, dass er sich mit der Prävention, Diagnose und Therapie von Krankheiten beschäftigt. Diese Sichtweise gehört jedoch wohl der Vergangenheit an. Die fortschreitende Technisierung und Spezialisierung haben die Berufsausübung des Arztes erheblich geprägt. Dies wird auch in der Zukunft so sein. In so mancher Situation wird sich ein Arzt fragen, weshalb er nicht noch zusätzlich Betriebs- und Rechtswissenschaften studiert hat, prägen doch diese Gebiete mittlerweile den ärztlichen Alltag mit. Die Bezeichnung "Der Arzt als Manager" hat daher sicherlich in der heutigen Zeit seine Berechtigung. Zu all diesen Tätigkeitsfeldern muss ein Arzt auch wissen, wie er sich in einem möglichen Konfliktfall mit einem Patienten zu verhalten hat. Die Zahl der Beschwerden von Patienten gegenüber Ärzten und Krankenhäusern hat deutlich zugenommen. Die Bundesärztekammer teilte unlängst mit, dass etwa 40 000 Ansprüche jährlich geltend gemacht werden (Die Welt 12.06.2009).

Die Flut von oftmals vermeintlichen Ansprüchen auf Schadensersatz und Schmerzensgeld, die Patienten geltend machen, ebbt nicht ab. Die Gründe hierfür sind die sicherlich überzogenen Erwartungen der Patienten, die für sich in jeder Situation eine erfolgreiche ärztliche Tätigkeit verlangen. Schicksalsbedingte Umstände werden nicht mehr akzeptiert. Daher wird oft das Misslingen einer Behandlung dem Arzt angelastet (Ulsenheimer in Laufs/Uhlenbrock, Handbuch des Arztrechts § 192, Rd 3 ff.). Zu dieser Entwicklung trägt auch die Anonymität und Unpersönlichkeit in vielen Kliniken bei. Überlastetes Personal kann sich nicht mehr in dem Umfang um die Patienten kümmern, wie dies vor einigen Jahren noch der Fall gewesen sein mag. Hinzu kommt, dass zwischen Arzt und Patient sehr häufig eine geschäftsmäßige Beziehung das früher herrschende Vertrauensverhältnis abgelöst hat. Bestätigung findet der selbstbewusste Patient in den Medien. Diese berichten nur zu gern über angeblich spektakuläre Haftungsfälle. Dabei ist die Berichterstattung oft tendenziös zu Lasten der Mediziner ausgelegt.

Nicht zuletzt Rechtsschutzversicherungen, die das Kostenrisiko des Patienten minimieren, sowie Rechtsanwälte, die oftmals auch in aussichtlosen Fällen zur Verfolgung vermeintlicher Ansprüche raten, tun ihr Übriges, dass die Anspruchstellungen von Patienten auf zahlenmäßig hohem Niveau bleiben. Aber auch die Konkurrenzsituation zwischen Ärzten unterstützt diese Entwicklung. In juristischen Fachzeitungen werben Mediziner mit der kostengünstigen Erstellung von medizinischen Fachgutachten zur Prozessvorbereitung. Unverhohlene Kritik an der Diagnose und Therapie des vorbehandelnden Arztes schüren die Konfliktbereitschaft vieler Patienten. Bestätigung finden streitlustige Patienten dann auch nicht zuletzt in der Rechtsprechung. Diese hat die Anforderungen an die ärztliche Aufklärungspflicht außerordentlich umfassend erweitert. Zahlreiche Beweislastregelungen gelten zugunsten des Patienten. Dies ist etwa der Fall bei einem groben Behandlungsfehler, unzureichender oder gar fehlender Dokumentation, unterbliebener ausreichender Aufklärung (BGH NJW 1994, 801; OLG München MedR 2006, 431 ff.).

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