Gesundheitswesen 2009; 71 - A278
DOI: 10.1055/s-0029-1239328

Arzneimittel ohne Arztbesuch – wie verbreitet ist Selbstmedikation? Ergebnisse einer repräsentativen Bevölkerungsbefragung 2008 als Teil des Gesundheitsmonitorings in Nordrhein-Westfalen

M Mensing 1, W Hellmeier 1, U Puteanus 1
  • 1Landesinstitut für Gesundheit und Arbeit NRW (liga), Bielefeld

Hintergrund: Das Landesinstitut für Gesundheit und Arbeit NRW (LIGA.NRW) führt seit 2003 jährliche repräsentative Bevölkerungsbefragungen durch. Sie erfassen subjektive Aspekte der Gesundheit in NRW (Gesundheitszustand, chronische Erkrankungen), gesundheitsrelevantes Verhalten wie Einstellungen zu aktuellen Gesundheitsthemen. Gemeinsam mit Daten anderer Quellen fließen die Ergebnisse in das Informationssystem Gesundheit NRW ein und dienen als Basis für die Landes-GBE und Politikberatung. Erstmalig wurden Fragen zur Selbstmedikation gestellt. Die Antworten unterstützen den Bereich Sozialpharmazie des LIGA.NRW bei der Aufklärung der Bevölkerung über einen verantwortungsvollen Arzneimittelkonsum.

Methode: Jährlich wird eine repräsentative Stichprobe der deutschsprachigen Bevölkerung ab 18 Jahren mit Wohnsitz NRW befragt (n=2.000). Der Survey wird mit CATI (Computer Assisted Telephone Interviews) durchgeführt, die Nummern werden nach Gabler/Häder gezogen. Angaben der Bürger werden mit den erhobenen Sozialdaten verknüpft. Bei der Fragenformulierung werden vorhandene europäische Empfehlungen berücksichtigt, durch enge Abstimmung mit dem RKI sind Vergleiche mit dem Bundesgesundheitssurvey möglich. Der aktuelle Survey wurde im Dezember 2008 durchgeführt (961Männer und 1.039 Frauen zwischen 18–92 Jahren).

Ergebnisse: Fast 40% der Befragten haben innerhalb von 4 Wochen Medikamente ohne ärztliches Rezept eingenommen (v.a. Schmerz- und Erkältungsmittel). 70% dieser Personen haben sich über das Mittel informiert, vor allem in der Apotheke und bei Angehörigen. Signifikante Unterschiede zwischen den Altersgruppen bestehen bei den Gründen, warum trotz Erkrankung kein Arzt konsultiert wurde: so geben v.a. Jüngere an, dass es sich um eine Bagatellerkrankung handelte, sie keine Zeit hatten oder die Praxisgebühr sparen wollten. 40% der Befragten haben im gleichen Zeitraum auch verschreibungspflichtige Medikamente eingenommen.

Diskussion: Als problematisch sehen es die Autoren an, dass zumeist nicht mit dem Arzt über die gleichzeitige Einnahme von frei verkäuflichen Medikamenten gesprochen wird. Potentiell gefährliche Wechselwirkungen werden so nicht thematisiert. Dies betrifft v.a. Patienten der jüngeren Altersgruppe, Befragte mit Migrationshintergrund sowie Angehörige der sozialen Unterschicht. Die Ergebnisse zeigen die Notwendigkeit einer verstärkten Aufklärung von Patienten zu möglichen Wechselwirkungen von Wirkstoffen.