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DOI: 10.1055/s-0029-1239130
Zum Stellenwert des Lebensstil-Konzeptes in der Gesundheitssoziologie
Im Zuge der Debatten um die Thesen von Individualisierung und Entkoppelung rückte am Beginn der 1990er Jahre das Konzept „Lebensstil“ zunehmend in den Fokus der Sozialstrukturanalyse. Von zentraler Bedeutung waren dabei drei Fragen: Was ist ein Lebensstil und wie wird er empirisch fassbar? Welchen prognostischen Wert haben Lebensstile zur Erklärung menschlichen Verhaltens? Löst das „moderne“ Konzept „Lebensstil“ die klassischen Konzepte sozialer Ungleichheit (vor allem Klasse und Schicht) ab oder ergänzt das Lebensstil-Konzept diese Merkmale sozialer Ungleichheit?
In der Zwischenzeit ist in der Sozialstrukturanalyse eine gewisse Verständigung über die Bedeutung des Konzepts „Lebensstil“ erfolgt (Otte 2005), und mit Schulzes alltagsästhetischen Schemata bzw. Milieus liegt auch ein etabliertes Instrument zur empirischen Fassung von Lebensstilen bzw. Lebensstilgruppen vor (Schulze 1992). Des Weiteren haben empirische Analysen gezeigt, dass die klassischen Dimensionen sozialer Ungleichheit ihre Bedeutung nicht eingebüßt haben, die Erkenntnismöglichkeiten der Sozialstrukturanalysen durch die Hinzunahme von Lebensstilen jedoch erweitert werden (z.B. Friedrichs, Kecskes und Wolf 2002). Die skizzierten Entwicklungen haben ihren Niederschlag auch in der Gesundheitssoziologie gefunden. Sowohl konzeptionell (Abel 1999) als auch empirisch (Gerhards und Rössel 2003) werden Lebensstile herangezogen, um gesundheitsrelevantes Verhalten und gesundheitliche Unterschiede zu erklären.
Im Vortrag werde ich zunächst das Konzept „Lebensstil“ vorstellen und seinen Stellenwert in der Sozialstrukturanalyse knapp nachzeichnen. Anschließend werde ich die Bedeutung dieses Konzepts für die Gesundheitssoziologie herausarbeiten. Dabei wird vor allem auf zwei Probleme eingegangen: a) die Abgrenzung zwischen Lebensstil und gesundheitsrelevantem Verhalten; b) der Notwendigkeit, das Wirken von Lebensstilen im Kontext der traditionellen Ungleichheiten zu verstehen.