Gesundheitswesen 2009; 71 - A52
DOI: 10.1055/s-0029-1239102

Schwangerschaftsdiabetes: Risiko für Mutter und Kind – Sonderauswertung aller bundesdeutschen Geburten des Jahres 2006 zu Risikogruppen und gesundheitlichen Folgen des Gestationsdiabetes

S Schneider 1, B Höft 1, H Maul 1, B Fischer 1, F de Bock 1, N Freerksen 1
  • 1MIPH – Mannheimer Institut für Public Health, Sozial- und Präventivmedizin, Medizinische Fakultät Mannheim, Universität Heidelberg

Hintergrund: Der Gestationsdiabetes (GDM, auch „Schwangerschaftsdiabetes“) gehört zu den häufigsten endokrinen Stoffwechselerkrankungen in der Schwangerschaft. Er stellt eines der bedeutendsten Gesundheitsrisiken während der Schwangerschaft dar. Forschungsfragen waren: Was sind Risikogruppen und prognostische Risikofaktoren für GDM? Wie sind die gesundheitlichen Folgen für das Neugeborene?

Daten und Methoden: Diese Studie basiert auf einem wegen institutioneller und datenschutzrechtlicher Hürden bis dato in Epidemiologie, Sozialmedizin und Präventionsforschung nahezu ungenutzten bundesweiten Datensatz: Die „Deutsche Perinatalerhebung 2006“ ist eine Vollerhebung aller (!) Krankenhausgeburten eines Kalenderjahres. Diese Kohorte umfasst Prä- und Perinatal-Daten zu insgesamt 658.145 Neugeborenen und 647.385Müttern aus insgesamt 917 Geburtskliniken. Im Rahmen einer vom Gemeinsamen Bundesausschuss beauftragten Sonderauswertung war einer interdisziplinären Arbeitsgruppe (aus Medizinsoziologen, Neonatologen und Epidemiologen) ein vollständiger Datenzugang bei der Bundesgeschäftsstelle Qualitätssicherung möglich.

Ergebnisse: In Deutschland entwickeln 2,3% aller Schwangeren einen Gestationsdiabetes. Zu den Hochrisikogruppen zählen ältere Frauen, Schwangere mit Migrationshintergrund, niedrigem Sozialstatus und vorbestehender Adipositas. Darüber hinaus sind Erstgeburten (Nulliparae) und Mehrlingsschwangerschaften mit einen signifikant höheren GDM-Risiko assoziiert. Anhand der umfassenden Datenbasis lassen sich die gesundheitlichen Folgen eines Gestationsdiabetes für das Neugeborene quantifizieren: So lässt sich unter anderem ein signifikant höheres Risiko für Fehlbildungen (1.32 [1,15–1,53]), für Makrosomie (OR für >90%-Perzentil: Jungen 1.40 [1,33–1,41], Mädchen 1.49 [1,39–1,59]) und diverse Outcome-Indikatoren (wie ungünstiger Nabelschnur-PH, Hypoglykämie u.a.) quantifizieren.

Diskussion: Unsere Daten belegen für den Gestationsdiabetes nicht nur gravierende gesundheitliche Folgen für das Neugeborene, sondern auch eine problematische Risikoakkumulation unter spezifischen Schwangerengruppen. Zudem scheint eine hohe Dunkelziffer wahrscheinlich. Für die Konzeption zielgruppengerechter Interventionen ist die Kenntnis der demographischen und psychosozialen Struktur dieser Risikogruppen eine wichtige Voraussetzung: Demnach stellen ältere Schwangere mit Migrationshintergrund, niedrigem Sozialstatus und vorbestehender Adipositas eine wichtige Zielgruppe präventiver und intervenierender Maßnahmen (oraler Glukosetoleranztest, Diättherapie) dar.

BQS Bundesgeschäftsstelle Qualitätssicherung gGmbH, BQS-Outcome. http://www.bqs-qualitaetsindikatoren.de