PiD - Psychotherapie im Dialog 2010; 11(1): 96-100
DOI: 10.1055/s-0029-1223501
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© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

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Oliver  Kugele
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Publication Date:
08 March 2010 (online)

[Heim E]. Die Welt der Psychotherapie. Entwicklungen und Persönlichkeiten.
Stuttgart: Klett-Cotta, 2009.
ISBN-13: 978-3-608-94549-2; 251 Seiten, 26 Abbildungen, € 24,90.

Der emeritierte Ordinarius für Psychotherapie und Psychiatrie der Universität Bern und ehemalige Direktor der Berner Psychiatrischen Universitätspoliklinik stellt erstmals die Geschichte der Psychotherapie in Europa und den USA umfassend dar.

Wohlstrukturiert und gut lesbar lädt Heim zu einer Zeitreise ein, die bei den Anfängen der Psychotherapie im 19. Jahrhundert mit dem „Mesmerismus” und der Hypnosebewegung beginnt. Die Entdeckungsreise setzt sich über die Freud'sche Psychoanalyse und der von seinen Schülern entwickelten analytischen Therapieformen zu Beginn des 20. Jahrhunderts fort und verläuft – nach einem Zwischenstopp bei der Beschreibung der Entstehung der Verhaltenstherapie und deren Wandlungen im Zuge der kognitiven Wende vom Behaviorismus zum Kognitivismus in den 60er- und 70er-Jahren – auch hin zu systemischen Therapieansätzen und weiteren Methoden (z. B. Daseinsanalyse, humanistische Verfahren und die interpersonale Psychotherapie). Dabei versteht es Heim, die Anliegen der Gründerpersönlichkeiten verschiedener Schulrichtungen durch Hinweise auf ihre Biografie nahezubringen und zugleich den Einfluss institutioneller und gesellschaftlicher Umstände auf das Wesentliche beschränkt, aber genau darzulegen.

Von praktischer Bedeutung ist die Zusammenfassung der alltagsrelevanten neueren Erkenntnisse zur Psychotherapieforschung im letzten Teil des Buches, in welchem er auch auf aktuelle Entwicklungstendenzen eingeht, die Notwendigkeit der Integration der therapeutischen Ansätze anmahnt und nicht zuletzt auf künftige ökonomische und gesellschaftliche Rahmenbedingungen sowie neurowissenschaftliche Forschungsergebnisse und deren Einfluss auf die Psychotherapie hinweist.

Fazit: Heim ist es gelungen, die vielfältigen Entwicklungslinien und die wichtigsten Psychotherapierichtungen in einem leicht und mitunter sehr spannend zu lesenden Buch zu einem roten Faden zusammenzuführen, ihre historischen Positionen zu beleuchten und neben Trennendem vor allem auch Gemeinsamkeiten in der Psychotherapie herauszuarbeiten.

Jürg Willi, langjähriger Wegbegleiter und Freund des Autors, schreibt nach Lektüre des Buches: „Ich wäre froh gewesen, hätte ich als junger, an Psychologie interessierter Mensch eine solch kompetente Übersicht besessen” (Klappentext). In diesem Sinne sei „Die Welt der Psychotherapie” allen Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten mit Nachdruck ans Herz gelegt.

[Fiedler P]. Integrative Psychotherapie bei Persönlichkeitsstörungen.
Göttingen: Hogrefe, 2003.
ISBN-13: 978-3-8017-1355-3; 373 Seiten, zahlreiche Abbildungen, € 39,95.

Ausgehend von seiner Kritik am „Omnipotenzanspruch” der Therapieschulen, wonach sich (etwas provokativ) Verhaltenstherapeuten, Psychoanalytiker, Gesprächspsychotherapeuten und Interpersonelle Psychotherapeuten gleichermaßen für persönlichkeitsbedingte Probleme von Menschen grundsätzlich und über alle Persönlichkeitsstörungen hinweg für zuständig halten, zeigt Fiedler die Diskrepanz zu empirischen Befunden der vergangenen Jahre auf. Diese weisen auf deutliche Unterschiede hinsichtlich der erreichten Therapieerfolge bei den einzelnen Persönlichkeitsstilen bzw. -störungen hin, je nachdem ob sie durch eine eher einsichtsorientierte Therapie (PA, GT, IP) oder eine eher ziel- und handlungsorientierte Methodik (VT, kogn. Therapie) behandelt wurden. Er beantwortet die Indikationsfrage in der Psychotherapie (Welches Psychotherapiekonzept und von wem durchgeführt ist bei welchen Personen mit welchen psychischen und Persönlichkeitsstörungen und welchen weiteren spezifischen Problemen und unter welchen Rahmenbedingungen am effektivsten?) mit einem Plädoyer für eine integrative Psychotherapie.

In seinem Prolog diskutiert Fiedler einleitend kritisch das Stigmatisierungsproblem bei der Diagnosestellung von Persönlichkeitsstörungen: Einerseits mag die Diagnose den professionellen Helfern Erklärungen, Entlastung und Beruhigung eröffnen, andererseits birgt sie für die Betroffenen selbst die Gefahr einer überdauernd fixierenden Merkmals-, Person- und Identitätszuschreibung im Sinne einer Etikettierung in sich. Er appelliert, Persönlichkeitsdiagnosen zwar konsequent, aber verantwortungsbewusst und nur nach genauer Prüfung der allgemeinen Kriterien für Persönlichkeitsstörungen zu stellen. Fiedler legt großen Wert darauf, Persönlichkeitsstörungen als besonderen Ausprägungsgrad persönlicher Stile (bspw. „der misstrauisch-scharfsinnige Stil” der paranoiden Persönlichkeit oder „der expressive und selbstdarstellende Stil” der histrionischen Persönlichkeit) zu begreifen, wodurch er die Varianz von Persönlichkeitseigenschaften betont und vor einer extremisierenden Haltung bei der Diagnosevergabe warnt. Eine solche impliziere nicht selten eine sehr defizitorientierte Wahrnehmung der Betroffenen und erschwere eine kompetenz- und ressourcenorientierte Perspektive.

Das Hauptanliegen des Autors im vorliegenden Werk ist es, ein der aktuellen Therapieforschung entsprechendes ätiologietheoretisch begründetes Indikationsmodell für ein multimodulares Therapiekonzept von Persönlichkeitsstörungen vorzulegen. Er unterzieht die wichtigsten Therapieschulen einem konzeptuellen Vergleich und stellt die vier Verfahren unter verschiedenen Aspekten einander gegenüber. Der Bewertungsprozess erfolgt unter theoretischer Perspektive von gesunder Persönlichkeit und Persönlichkeitsstörungen auf der Grundlage des bedürfnisorientierten Circumplex-Modells. Seine Ambition, einen Entwurf zu entwickeln, der sowohl die verschiedenen Typen und Abstufungen von Persönlichkeitsstilen bzw. -störungen als auch die unterschiedlichen Behandlungsansätze der wichtigsten Therapieschulen sowie eine Fülle von Wirksamkeitsstudien und Erfahrungen berücksichtigt, ist außerordentlich hoch und wird dennoch erfüllt. Das Resultat ist ein fundiertes, verständliches und klar gegliedertes Modell einer differenzierten Indikation von Behandlungsansätzen zu den unterschiedlichen Persönlichkeitsstörungen – ein sehr lesenswertes Buch, das schulenübergreifend, wertschätzend und in seiner ressourcenorientierten Grundhaltung teils auch provokativ und kritisch in beispielhafter Weise Perspektiven für mehr Integration in der Psychotherapie (nicht nur in der Behandlung von Persönlichkeitsstörungen) aufzeigt.

[Schweitzer J], Nicolai E. SYMPAthische Psychiatrie. Handbuch systemisch-familienorientierter Arbeit.
Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, Erscheinungstermin April 2010.
ISBN: 978-3-525-40162-0; ca. 190 Seiten, € 19,90.

Der Stellenwert von Psychotherapie in der Allgemeinpsychiatrie – also außerhalb definierter Psychotherapiestationen und außerhalb der Kinder- und Jugendpsychiatrie – ist oft ein labiler. Die häufigen Zwangskontexte mit vielen gerichtlich angeordneten Behandlungen, die Akuität und Dramatik der Symptome und der Vorrang der Psychopharmakotherapie in Akutphasen machen allgemeinpsychiatrische Stationen zu einem herausfordernden Platz für alle psychotherapeutischen Konzepte. Hinzu kommt, dass häufiger Personalwechsel, insbesondere bei den Stationsärzten, für personengebundene Behandlungskonzepte einen schwierigen Rahmen darstellt.

In dieser Situation haben die Autoren in und gemeinsam mit drei Abteilungen für Allgemeinpsychiatrie in Landes-, Fach- und Kreiskrankenhäusern ein Konzept entwickelt und erprobt, wie dort ein psychotherapeutisches – speziell: systemisch-familienorientiertes – Behandlungskonzept berufsgruppenübergreifend und langfristig praktiziert werden kann. Das Konzept heißt SYMPA (systemtherapeutische Methoden psychiatrischer Akutbehandlung) und ist in den Kliniken Wunstorf bei Hannover, Paderborn und Gummersbach im Bergischen Land über sieben Jahre hinweg erprobt worden.

Im Zentrum stehen eine gemeinsame systemtherapeutische Weiterbildung und ein gemeinsam entwickeltes SYMPA-Handbuch. Auffällig ist, dass hier Patienten, Angehörige und andere für die Patienten wichtige Menschen in die Entwicklung eines gemeinsamen Fallverständnisses und einer gemeinsamen Therapiezielplanung einbezogen werden. Strukturierte Fallbesprechungen finden oft in Anwesenheit der Patienten und ihrer Angehörigen statt, die hinterher das Gesagte kommentieren können. Patienten können die Entlassbriefe einsehen und mit den Behandlern diskutieren. Der kommunikative Umgang mit und die Nutzung ihrer Diagnosen in ihrer Lebensrealität wird mit den Patienten diskutiert. Eine spezielle Verhandlungskultur zielt auf eine Reduktion freiheitseinschränkender Maßnahmen und Zwangsbehandlungen hin.

Das Buch SYMPAthische Psychiatrie (das Sprachspiel mit seinen Assoziationen könnte etwas heikel sein) beschreibt das SYMPA-Konzept, besonders dessen Praxis, sehr anschaulich. Vorangestellt sind Abschnitte zur „Theorie systemischer Psychiatrie” und zu früheren „bewährten Praktiken systemischer Psychiatrie”. Danach wird die SYMPA-Weiterbildung einschließlich ihrer didaktischen Elemente beschrieben – interessant sind hier besonders die Live-Gespräche mit Patienten und Angehörigen direkt in der Weiterbildung sowie die „erkenntnistheoretischen Irritationsübungen”. Den weit größten Teil nimmt die SYMPA-Praxis ein, mit Fallbeispielen, Zielen und typischen Interventionen. Abgerundet wird das Buch durch Forschungsergebnisse zur Machbarkeit und Nachhaltigkeit des Projektes, zu den Auswirkungen auf die Mitarbeiter, die Stationsteams und die Patienten.

Das Buch ist Lesern zu empfehlen, die besonders in stationären Kontexten ein berufsgruppenübergreifendes gemeinsames Therapiemodell mit sehr partizipativem Anspruch praktizieren wollen. Im Kern ist es für die Erwachsenenpsychiatrie geschrieben; das Konzept dürfte aber in Kinder- und Jugendpsychiatrie sowie Psychosomatik mit gewissen Abweichungen ähnlich gut praktizierbar sein. Der niedrige Preis wird seine Verbreitung auch unter nichtakademischen Lesern erleichtern.

[Herpertz SC], Caspar F, Mundt C (Hrsg.). Störungsorientierte Psychotherapie.
München: Urban und Fischer, 2008.
ISBN-10: 978-3-437-23730-0; 782 Seiten, 70 farbige Zeichnungen, 100 farbige Tabellen, € 99,95.

Ein lehrbuchartiges Handbuch mit Gewicht – nicht nur was den Umfang angeht (ca. 800 Seiten, fast 2,5 kg schwer), sondern auch im Hinblick auf seinen Beitrag in der Debatte um Integrationsbestrebungen in der Psychotherapie von gewichtiger Bedeutung: Die Herausgeber setzten sich bei der Konzeption des vorliegenden Lehrbuches zum Ziel, eine differenzielle Methodenauswahl und Methodenkombination zu ermöglichen und darüber hinaus Wege einer Methodenintegration aufzuzeigen. Die integrative Zielsetzung („schulenintegrativ, berufsgruppenintegrativ und methodenintegrativ”) spiegelt sich nicht nur in Beiträgen von über 60 Autorinnen und Autoren aus verschiedenen psychotherapeutischen Fachgebieten wider, sondern zeigt sich auch in einer komplementären Mehrautorenschaft von Vertretern der beiden großen Therapierichtungen (Verhaltenstherapie und tiefenpsychologische Verfahren) bei der Abfassung der einzelnen Kapitel.

Das Buch lädt insgesamt durch seine klare Gliederung zum Lesen ein und ermöglicht durch seine lesefreundliche Layoutgestaltung eine zielführende inhaltliche Orientierung.

Ein allgemeiner Teil führt in psychische Störung und Psychotherapie mit ihren Rahmenbedingungen ein und erörtert aktuelle Forschungsbefunde bez. der Kombination von Psychotherapie und Pharmakotherapie. Der zweite Teil stellt funktionsorientierte Diagnostik und deren Umsetzung in der Psychotherapie anhand unterschiedlicher Konzepte wie Selbst, Selbstidentität und Selbstaktualisierung, Selbstwertregulierung, Affektregulierung, Körperbild, Bindungserfahrung u. a. vor. Den zentralen Kern des Werkes bildet das dritte Kapitel, welcher das störungsspezifische Wissen bei verschiedenen Diagnosegruppen vermittelt, während sich der vierte Teil „besonderen Problemgruppen” (bspw. Kinder und Jugendliche, ältere Menschen, Straftäter, Menschen mit Migrationshintergrund) und „Problemstellungen” (wie Notfallsituationen oder forensische Aspekte) widmet.

Im abschließenden fünften Kapitel werden rechtliche und gesundheitspolitische Rahmenbedingungen, der aktuelle Stand der Aus-, Fort- und Weiterbildung neben ethischen Aspekten und Fehlentwicklungen in der Psychotherapie diskutiert.

Besonders zu würdigen ist die Gründlichkeit, mit der empirisch gut fundiert Perspektiven schulenübergreifender Therapiestrategien sowohl bezogen auf allgemeine Wirkfaktoren und Wirkprinzipien in der Psychotherapie, in der Behandlung gestörter psychologischer Funktionen als auch spezifischer Störungsbilder erarbeitet wurden und übergreifende Fragestellungen der Psychotherapie sorgfältig besprochen werden.

Die Herausgeber haben es in beachtenswerter Weise verstanden, vielfältige Brücken zu schlagen zwischen neurowissenschaftlichen Erkenntnissen und deren Bedeutung für die psychotherapeutische Praxis, zwischen subjektiven psychischen und psychopathologischen Prozessen, zwischen den beiden großen Therapierichtungen und ihren Behandlungsmethoden, sodass das Ziel einer gegenseitigen Ergänzung insgesamt erreicht wurde.

Kritisch anzumerken bleibt jedoch, dass – respektive des Titels „störungsspezifische Psychotherapie” – einige Störungen keine Berücksichtigung in dem sehr umfassenden Werk gefunden haben (so z. B. sexuelle Funktionsstörungen, Psychotherapie bei chronischen körperlichen Erkrankungen, nicht stoffgebundenes Suchtverhalten wie Glückspielsucht oder Internetsucht). Ein künftiger Einbezug körpertherapeutischer Ansätze, humanistischer und systemischer Verfahren oder der immer mehr an Beachtung gewinnenden Schematherapie, welche kognitive, behaviorale, humanistische und tiefenpsychologische Konzepte kombiniert, wäre wünschenswert und zeigt gleichzeitig Entwicklungsperspektiven des Buches für künftige Auflagen auf.

Insgesamt ist den Herausgebern ein umfassendes und empirisch fundiertes Buch gelungen, das sowohl als Lehrbuch allen in Ausbildung Begriffenen als auch als Nachschlagewerk bereits erfahrenen Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten als wegweisend anempfohlen werden kann, und das aufzeigt, dass die Vision Grawes einer weitgehend schulenunabhängigen und forschungsbasierten allgemeinen Psychotherapie erreichbar sein kann – auf dem Weg dahin ermöglicht das vorliegende Werk einen wesentlichen und beispielhaften Schritt.

[Strauß B], Hohagen F, Caspar F (Hrsg.). Lehrbuch Psychotherapie. Teilbände 1 und 2.
Göttingen: Hogrefe, 2007.
ISBN-13: 978-3-8017-1605-9; insg. 1636 Seiten, € 99,95.

Das sehr umfangreiche, zweibändige Lehrbuch behandelt Prüfungswissen im Bezug auf die Ausbildung zum Psychologischen Psychotherapeuten und umfasst darüber hinaus Schwerpunktthemen der Weiterbildung zum Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie bzw. Psychosomatische Medizin und Psychotherapie. Es bietet aber auch Studierenden der Psychologie einen Überblick über Psychotherapie und hierbei insbesondere für den klinischen Vertiefungsbereich wesentliche Inhalte. Neben der Vermittlung von Grundwissen in Bezug auf analytische / tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie und Verhaltenstherapie werden des Weiteren aber auch die Grundkonzeptionen der Gesprächspsychotherapie und der systemischen Therapie skizziert, wodurch es den aktuellen Entwicklungen in der Psychotherapieszene (bspw. Anerkennung der beiden Verfahren durch den wissenschaftlichen Beirat) Rechnung trägt.

Der erste Band beginnt mit der Darstellung der Grundlagen von Psychotherapie (Entwicklung, Persönlichkeit, Emotion, Gedächtnis, Neurobiologie) und des Bereiches der allgemeinen Krankheitslehre, in welchem die vier o. g. Verfahren ausgeführt werden. Im störungsspezifischen Teil zur speziellen Krankheitslehre werden zwölf ausgewählte psychische Störungen auf jeweils ca. 20 Seiten kompakt behandelt und tiefenpsychologisch-fundierte und kognitiv-verhaltenstherapeutische Behandlungsansätze beispielhaft vorgestellt. Die Gliederung der störungsspezifischen Kapitel folgt ungefähr dem Aufbau, der sich in der Hogrefe'schen Reihe „Fortschritte der Psychotherapie” bewährt hat (Klinisches Bild und Symptomatik, Diagnostik, Epidemiologie, Komorbidität und Differenzialdiagnose, Ätiologie und Pathogenese, Therapie). Nach Beiträgen zur Psychodiagnostik schließt der erste Band mit einem von Klaus Grawe mitverfassten Kapitel zur Psychotherapieforschung ab.

Der zweite Teilband fokussiert auf spezifische Themen der Anwendung von Psychotherapie in definierten Settings (z. B. in der Gruppe) und bei spezifischen Patientengruppen (z. B. ältere Menschen). Weitere Kapitel beleuchten geschlechtsspezifische Aspekte in der Psychotherapie, Besonderheiten in der Behandlung körperlich Kranker, die Bedeutung der Rehabilitation, Prävention und Gesundheitsförderung neben rechtlichen Fragen oder Möglichkeiten der Qualitätssicherung in der Psychotherapie bis hin zu Möglichkeiten einer individualisierten Behandlungsplanung. Der siebte und letzte Teil rundet das Lehrbuch durch eine Vertiefung der Behandlungstheorie kognitiv-verhaltenstherapeutischer, psychodynamischer, systemischer und gesprächspsychotherapeutischer Methoden im Einzel-, Paar- und Gruppensetting sowie in der Therapie von Kindern und Jugendlichen und mit der Vorstellung neuropsychologischer Behandlungsmethoden ab.

Das Buch zeichnet sich durch eine klare Struktur und einen stringenten, theoretisch und didaktisch gut begründbaren Aufbau aus, welche es dem Leser leicht machen, zielorientiert interessierende Inhalte nachzuschlagen. Hilfreich für eine effektive Prüfungsvorbereitung erweisen sich Zusammenfassungen und Verständnisfragen am Ende der einzelnen Kapitel.

Etwas enttäuschend ist, dass sich die im Rahmen der störungsorientierten Kapitel vorgestellten Behandlungsmethoden vornehmlich an der „schulischen Herkunft” der jeweiligen Autoren orientiert, sodass bspw. lediglich eine verhaltenstherapeutische Behandlung der Zwangsstörungen und ein psychodynamisch orientierter Therapieansatz der Depression vorgestellt werden, während Vorgehensweisen anderer Psychotherapieverfahren – wenn überhaupt – lediglich am Rande skizzierend erwähnt werden. In diesem Punkt wurde das Ziel, prüfungsrelevantes Grundwissen zu vermitteln, nicht in dem Maße erreicht, welches angesichts des Umfangs des vorliegenden Lehrbuches hätte erwartet werden können. Die einzelnen Kapitel sind trotz der Vielzahl an Autoren in einem überraschend einheitlichen Schreibstil verfasst; eine insgesamt stark wissenschaftlich gehaltene Darstellung der Inhalte geht ab und an zulasten von Praxisnähe und einer anwendungsorientierten Ausrichtung. Ein fester Einband anstelle eines einfachen Paperbacks würde die beiden dicken Bände angemessener kleiden und auch besser die „Form wahren”.

Alles in allem ist den Herausgebern ein sehr umfassender Überblick über die zentralen Themen der Psychotherapie gelungen. Die 80 Autorinnen und Autoren sind allesamt ausgewiesene und namhafte Experten und Vertreter verschiedener psychotherapeutischer Fachgebiete, denen bei der Gestaltung ihrer Beiträge viel Freiheit gewährt wurde, sodass ein lebendiger, undogmatischer Eindruck der psychotherapeutischen Landschaft entsteht, der wenig Raum für gegenseitige Stigmatisierungen lässt und eine Grundhaltung des „Aufeinander-zu-Gehens” der Therapieschulen und des „Voneinander-Lernen-Wollens” klar zum Ausdruck bringt.

[Hiller W], Leibing E, Leichsenring F, Sulz SKD (Hrsg.). Lehrbuch der Psychotherapie. Für die Ausbildung zur / zum Psychologischen PsychotherapeutIn und für die ärztliche Weiterbildung, Bd. 1: Wissenschaftliche Grundlagen der Psychotherapie.
München: CIP Medien, 2007.
ISBN-13: 978-3932096-310; 499 Seiten, € 74,00.

[Leichsenring F] (Hrsg.). Lehrbuch der Psychotherapie. Für die Ausbildung zur / zum Psychologischen PsychotherapeutIn und für die ärztliche Weiterbildung, Bd. 2: Psychoanalytische und tiefenpsychologisch fundierte Therapie.
München: CIP Medien, 2006.
ISBN-13: 978-3932096-327; 350 Seiten, € 74,00.

[Leibing E], Hiller W, Sulz SKD (Hrsg.). Lehrbuch der Psychotherapie. Für die Ausbildung zur / zum Psychologischen PsychotherapeutIn und für die ärztliche Weiterbildung, Bd. 3: Verhaltenstherapie.
München: CIP Medien, 2007.
ISBN-13: 978-3932096-334; 510 Seiten, € 74,00.

[Mattejat F] (Hrsg.). Lehrbuch der Psychotherapie. Für die Ausbildung zur / zum Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin / en und für die ärztliche Weiterbildung, Bd. 4: Verhaltenstherapie mit Kindern, Jugendlichen und ihren Familien.
München: CIP Medien, 2006.
ISBN-13: 978-3932096-433; 793 Seiten, € 94,00.

[Hopf H], Windhaus E (Hrsg.). Lehrbuch der Psychotherapie. Für die Ausbildung zur / zum Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin / en und für die ärztliche Weiterbildung, Bd. 5: Psychoanalytische und tiefenpsychologisch fundierte Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie.
München: CIP Medien, 2007.
ISBN-13: 978-3932096-440; 626 Seiten, € 84,00.

Das fünfbändige Lehrbuch der Psychotherapie erhebt den Anspruch, die Inhalte der psychotherapeutischen Grundkenntnisse und der vertieften Ausbildung in Verhaltenstherapie bzw. in psychoanalytischer und tiefenpsychologisch fundierter Therapie kompakt zusammenzufassen. Es orientiert sich eng an der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Psychologische Psychotherapeuten und am Gegenstandskatalog des Instituts für Medizinische und Pharmazeutische Prüfungsfragen (IMPP). Das ursprünglich auf drei Bände (Psychotherapie bei Erwachsenen) konzipierte Lehrbuch wurde in den vergangenen Jahren um Band 4 (Verhaltenstherapie mit Kindern, Jugendlichen und deren Familien) und Band 5 (Psychoanalytische und tiefenpsychologisch fundierte Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie) erweitert.

Das Lehrbuch hält mehr als es verspricht: Es ist den Herausgebern aller Bände gelungen, ein didaktisch kluges Konzept zu erarbeiten, welches sich zunächst in einer ansprechenden Aufbereitung des Stoffs, einer Vielzahl von kompakten und ein vernetztes Lernen ermöglichenden Tabellen und Abbildungen sowie einer klare Textgliederung bei gleichzeitig optisch ansprechender Layoutgestaltung offenbart. Die jeweils von bekannten Fachgrößen ausgearbeiteten Kapitel sind inhaltlich auf den Punkt gebracht und verzichten auf einen allzu wissenschaftlichen Sprachduktus, sodass die Lektüre motivierend und nie ermüdend wirkt. Eine Fülle an illustrativen Beispielen, Fallvignetten und therapeutischen Gesprächssequenzen zeigt, dass einer raschen Umsetzbarkeit in die klinische Praxis und damit einer größtmöglichen Anwendungsorientierung eine hohe Priorität bei der Konzipierung dieses Lehrbuchs beigemessen wurde. Aus lernpsychologischer Sicht ermöglichen prägnante „Merkesätze”, „Frequently Asked Questions” sowie deren prägnante Beantwortung am Ende eines jeden Kapitels sowie Beispiele möglicher Prüfungsfragen eine vertiefte Verarbeitung des vermittelten Wissens. Im Gegensatz zu vielen anderen Lehrbüchern bieten weiterführende Literaturempfehlungen zu den jeweils besprochenen Themenbereichen die Möglichkeit zu einer gezielten und spezifischeren Wissenserweiterung.

Auffallend ist, dass auch in diesem sehr umfangreichen Lehrbuch in keiner Weise auf körperorientierte Verfahren und kaum auf andere Therapierichtungen eingegangen wird, was sich aber über die Zielsetzung des Lehrbuches nachvollziehen lässt. Die Vielzahl an Rechtschreib- und grammatikalischen Fehlern sowie teilweise irreführende Literaturverweise (die nicht nur in dieser Buchreihe auffallen) scheinen eine verlagsspezifische redaktionelle Schwäche zu sein, die der inhaltlichen Qualität des Buches entgegensteht; das Lesen wird hierdurch oft unnötig erschwert. Nach wiederholter Auflage der Bände sollten diese Fehler eigentlich behoben sein.

Den Themenschwerpunkt der vorliegenden PiD-Ausgabe aufgreifend, wäre eine Erweiterung dieser anwendungsorientierten Lehrbuchreihe um einen sechsten Band mit der Zielsetzung, Wege der Integration therapeutischer Verfahren und Behandlungsmethoden in der therapeutischen Praxis zu diskutieren bzw. zu beschreiten, sicherlich spannend.

Das Gesamtwerk kann allen psychotherapeutisch in Ausbildung, Praxis, Lehre und Supervision tätigen Kolleginnen und Kollegen uneingeschränkt auch als Nachschlagewerk empfohlen werden. Zur gezielten Prüfungsvorbereitung (der Preis der Bücher ist ja nicht ganz ohne) dürfte die Kombination aus Band 1 sowie des jeweiligen Bandes zum Vertiefungsbereich als Anschaffung ausreichen. Die Investition zahlt sich sicherlich aus.

[Senf W], Broda M. Praxis der Psychotherapie. Ein integratives Lehrbuch. 4., aktualisierte Auflage.
Stuttgart: Thieme, 2007.
ISBN-13: 978-3-13-106094-5; 896 Seiten, 193 Abbildungen, 96 Tabellen, € 119,95.

Am Tag vor der Öffnung der Grenze zur DDR fand das entscheidende Treffen der Autoren statt, welches vor dem Hintergrund der damaligen politischen Entwicklung den Willen beider stärkte, auch Mauern zwischen Therapieschulen durchlässiger zu machen, und das schließlich als Geburtsstunde der Idee für dieses Lehrbuch zu sehen ist: Mit dem Erscheinen der ersten Auflage zeigten Senf und Broda Pioniergeist, indem sie das erste Psychotherapielehrbuch mit explizit integrativer Zielsetzung vorlegten und auf dieser Basis einige Zeit danach auch die Herausgabe der „PiD” als Forum des Dialogs und Austausches zwischen den Therapieschulen beschlossen. Inzwischen hat sich das Lehrbuch weiterentwickelt und liegt in der vierten Auflage vor: Einige Kapitel der ersten Auflagen wurden herausgenommen (bspw. das Kapitel „Andere Psychotherapeutische Methoden”; diese sind aber weiter über das Internet für jeden Nutzer zugänglich: www.thieme.de/specials/senf-broda), andere wurden gründlich überarbeitet oder neue mit aufgenommen.

Die Autoren gehen von einem Stufenmodell aus, welches den integrativen Ansatz als Weg von mehr Methodentransparenz verschiedener psychotherapeutischer Verfahren, Methoden und Settings über die Methodenkombination hin zur Integration beschreibt. Integration verstehen sie als einen „dialektischen Prozess, der aus verschiedenen, bisher als unvereinbar geltenden Systemen Neues entstehen lässt, der aber nicht mit einem ,wilden pragmatischen Eklektizismus‘ oder als ,Eintopf‘ aus zufällig zusammengewürfelten therapeutischen Bestandteilen zu verwechseln” sei. Das Grundbestreben des Buches ist es, „über die Transparenz dessen, was die einzelnen Schulen bei der Krankenbehandlung wirklich machen, die Voraussetzungen zu einer Integration der Therapieschulen” zu schaffen, um Grabenkämpfe zwischen den Therapieschulen überwinden und die Qualität der psychotherapeutischen Versorgung weiter verbessern zu können.

Beachtlich ist die inhaltliche Breite des Lehrbuches: Nach einer ausführlichen Darstellung der theoretischen Grundlagen und der praktischen Anwendung von Psychoanalyse, Verhaltenstherapie, systemischer Therapie und der humanistischen Perspektive folgt der zentrale Teil, in dem die Anwendung der verschiedenen Konzepte – insbesondere der Verhaltenstherapie und tiefenpsychologischer Ansätze – nicht nur für die wichtigsten Indikationsstellungen (Angstkrankheiten, Zwang, Depression, Schizophrenie, Persönlichkeitsstörungen etc.) beschrieben wird. Über die „klassischen” psychischen Störungen hinaus finden sich gründliche Beiträge zur Psychotherapie bei dermatologischen Erkrankungen, chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen, bei Asthma bronchiale, Herzerkrankungen, chronischen körperlichen Erkrankungen, bei Transplantationspatienten, Krebspatienten, bei Menschen, die unter ihrer Transidentität leiden, oder solchen, die als Sexualstraftäter zur Behandlung kommen. Alle Störungsbilder werden mithilfe von Fallbeispielen lebendig dargestellt, zentrale Informationen oder Statements werden in Merkkästchen auch farbig hervorgehoben, was das Lesen erleichtert. Knappe einführende und abschließende Zusammenfassungen runden auch in didaktischer Hinsicht die einzelnen Kapitel ab. Die beiden unterschiedlichen (verhaltenstherapeutischen oder psychoanalytisch orientierten) Herangehensweisen werden innerhalb der jeweiligen Kapitel unmittelbar in einer sich komplementär ergänzenden Form aufeinander bezogen. Weitere Themen sind besondere Problemstellungen wie Psychotherapie bei alten Menschen, Kindern und Jugendlichen, bei Migranten, im Suchtbereich, im Zusammenhang mit sexuellem Missbrauch oder Notfallsituationen, um nur einige zu nennen.

Aber auch nur scheinbar triviale Fragen zur Praxisführung und Antragstellung im ambulanten Versorgungskontext, zum Setting, zu (sozial)rechtlichen Grundlagen der Psychotherapie (u. a. Prävention und Rehabilitation), ethischen Aspekten und gesundheitspolitischen Rahmenbedingungen, Supervision und Selbsterfahrung, Qualitätssicherung bis hin zu „professionellem Verhalten” von Therapeuten werden behandelt und erschöpfend beantwortet.

„Praxis der Psychotherapie” ist mehr als ein exzellentes Lehrbuch – es ist ein fortlaufendes Projekt zu einer Integration verschiedener psychotherapeutischer Richtungen, Methoden und Modelle.

Es ist all jenen Kolleginnen und Kollegen wärmstens ans Herz zu legen, die veränderungsmotiviert ihren Blick über lange existierende therapeutische Grenzen hinaus heben und ihren Horizont in einem integrativen Sinne erweitern möchten.

Literatur

  • 1 Heim E. Die Welt der Psychotherapie. Entwicklungen und Persönlichkeiten. ISBN-13: 978-3-608-94549-2. Stuttgart; Klett-Cotta 2009
  • 2 Fiedler P. Integrative Psychotherapie bei Persönlichkeitsstörungen. ISBN-13: 978-3-8017-1355-3. Göttingen; Hogrefe 2003
  • 3 Schweitzer J, Nicolai E. SYMPAthische Psychiatrie. Handbuch systemisch-familienorientierter Arbeit. ISBN 978-3-525-40162-0. Göttingen; Vandenhoeck & Ruprecht Erscheinungstermin April 2010
  • 4 Herpertz S C, Caspar F, Mundt C. Störungsorientierte Psychotherapie. ISBN-10: 978-3-437-23730-0. München; Urban und Fischer 2008
  • 5 Strauß B, Hohagen F, Caspar F. Lehrbuch Psychotherapie. Teilbände 1 und 2. ISBN-13: 978-3-8017-1605-9. Göttingen; Hogrefe 2007
  • 6 Hiller W, Leibing E, Leichsenring F, Sulz S KD. Lehrbuch der Psychotherapie. Für die Ausbildung zur / zum Psychologischen PsychotherapeutIn und für die ärztliche Weiterbildung, Bd.1: Wissenschaftliche Grundlagen der Psychotherapie. ISBN-13: 978-3932096-310. München; CIP Medien 2007
  • 7 Leichsenring F. Lehrbuch der Psychotherapie. Für die Ausbildung zur / zum Psychologischen PsychotherapeutIn und für die ärztliche Weiterbildung, Bd.2: Psychoanalytische und tiefenpsychologisch fundierte Therapie. ISBN-13: 978-3932096-327. München; CIP Medien 2006
  • 8 Leibing E, Hiller W, Sulz S KD. Lehrbuch der Psychotherapie. Für die Ausbildung zur / zum Psychologischen PsychotherapeutIn und für die ärztliche Weiterbildung Bd. 3: Verhaltenstherapie. ISBN-13: 978-3932096-334. München; CIP Medien 2007
  • 9 Mattejat F. Lehrbuch der Psychotherapie. Für die Ausbildung zur / zum Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin / en und für die ärztliche Weiterbildung Bd. 4: Verhaltenstherapie mit Kindern, Jugendlichen und ihren Familien. ISBN-13: 978-3932096-433. München; CIP Medien 2006
  • 10 Hopf H, Windhaus E Hrsg. Lehrbuch der Psychotherapie. Für die Ausbildung zur / zum Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin / en und für die ärztliche Weiterbildung. Bd.5: Psychoanalytische und tiefenpsychologisch fundierte Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie. ISBN-13: 978-3932096-440. München; CIP Medien 2007
  • 11 Senf W, Broda M. Praxis der Psychotherapie. Ein integratives Lehrbuch. 4., aktualisierte Auflage. ISBN-13: 978-3-13-106094-5. Stuttgart; Thieme 2007

Dipl.-Psych. Oliver Kugele

ParkKlinik Bad Bergzabern, Rehabilitationszentrum für Psychosomatik und Verhaltensmedizin

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