PiD - Psychotherapie im Dialog 2010; 11(1): 67-70
DOI: 10.1055/s-0029-1223495
Aus der Praxis

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Tausch, Spiel und Macht

Vom Umgang mit Schuld in der PsychotherapieMeinrad  Braun
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Publication Date:
08 March 2010 (online)

Zusammenfassung

Schuld wird als funktionales Element im Beziehungstausch gesehen und dabei mit dem existenzphilosophisch umrissenen Begriff der „Gabe” antinomisch gesetzt. Im „Geben” und „Nehmen” fixierte Beziehungsstile und ihre Wirkung werden skizziert. Anstelle der Suche nach der Wahrheit der Schuld wird angeregt, Schuld und Schuldgefühle als dynamische Elemente eines Spiels nach persönlichen Regeln zu betrachten, um jenseits einer moralischen Normierung den selbstgeleiteten Aufbau von Souveränität und Selbstsorge zu unterstützen.

Literatur

  • 1 Bataille G. Der heilige Eros. München; Hermann Luchterhand Verlag 1963
  • 2 Bataille G. Die Aufhebung der Ökonomie. München; Rogner und Bernhard Verlag 1975
  • 3 Baudrillard J. Der symbolische Tausch und der Tod. München; Matthes und Seitz Verlag 1982
  • 4 Baudrillard J. Der unmögliche Tausch. Berlin; Merve Verlag 1992
  • 5 Baudrillard J. Die Macht der Verführung. Paris; Vorträge auf CD, supposé Köln 2006
  • 6 Boelderl A. Vom Opfergeist: Hegel mit Bataille. Boston; 20th World Congress of Philosophy Aug. 10–15, 1998 im Archiv: „Paideia”, Philosophy of Religion
  • 7 Bourdieu P. Sozialer Sinn. Frankfurt; Suhrkamp Verlag 1987
  • 8 Derrida J. Falschgeld. Zeit geben I. München; Wilhelm Fink Verlag 1993
  • 9 Derrida J. Eine gewisse unmögliche Möglichkeit, vom Ereignis zu sprechen. Berlin; Merve Verlag 2003
  • 10 Endreß M. Zur Grundlegung einer integrativen Ethik. Frankfurt; Suhrkamp Verlag 1995
  • 11 Eßbach W. Gabe und Rache. Zur Anthropologie der Gegenseitigkeit. In: Treusch-Dieter G Schuld. Tübingen; Konkursbuch Verlag 1999
  • 12 Foucault M. Die Geburt der Klinik. Frankfurt; Ullstein Verlag 1972
  • 13 Foucault M. „Wahrheit und Macht”, Interview mit A. Fontana u. P. Pasquins. In: Foucault M Dispositive der Macht. Über Sexualität, Wissen und Wahrheit. Berlin; Merve Verlag 1976
  • 14 Focault M. Ästhetik der Existenz. In: Defert D, Ewald F, Hrsg Schriften zur Lebenskunst. Frankfurt; Suhrkamp Verlag 2007
  • 15 Mauss M. Die Gabe. Frankfurt; Suhrkamp Verlag 1990
  • 16 Negel J. Ambivalentes Opfer. Studien zur Symbolik, Dialektik und Aporetik eines theologischen Fundamentalbegriffs. Paderborn; Schöningh Verlag 2005
  • 17 Nietzsche F. Jenseits von Gut und Böse, und: Zur Genealogie der Moral. München; Sämtliche Werke Bd. 5., Studienausgabe de Gruyter Verlag 1988
  • 18 Schmid W. Selbstsorge. Zur Biografie eines Begriffs. In: Endreß M, Hrsg Zur Grundlegung einer integrativen Ethik. Frankfurt; Suhrkamp Verlag 1995

1 Diese Betrachtung befasst sich vorwiegend mit persönlicher Schuld und ihrem Potenzial. Auf das Erörtern der Verbindung zur Scham und zum Begriff des Gewissens wird aufgrund des beschränkten Umfangs verzichtet.

2 Marcel Mauss hat in seinem berühmten, 1925 verfassten Essay „Sur le don” die „Gabe” und ihre Reziprozität als das grundlegende Element des Beziehungstauschs und der sozialen Kohärenz umrissen (Mauss 1990).

3 Jaques Derrida sah das „Ereignis” der Gabe gerade in ihrer aporetischen Natur, die „Gabe” ist für ihn das, was letztlich nicht tauschbar ist (Derrida 2003).

4 Georges Bataille gilt als einer der Begründer der Philosophie der „Überschreitung” als Grundlage des Begehrens (Bataille 1975).

5 Michel Foucault beschrieb in seinen Werken die wechselnden Dispositive der Macht in der Moderne, unter anderem über die Wahrheitssuche am Beispiel der Geschichte der Psychiatrie. Er verwendet den Begriff des Spiels, um die Funktionsweise dieser Dispositive in positiver Form zu umreißen (Foucault 1976). Jean Baudrillard setzt in seiner Kritik der Moderne das urtümliche „Spiel” der Alterität und die zu ihm gehörende Verführung gegen die moderne, normierende und seiner Meinung nach destruktive Produktion (Baudrillard 2006).

6 Friedrich Nietzsche begründete mit seinem Denken eine fundamentale Kritik von Wahrheitssuche und Moral (Nietzsche 1988).

Dr. Meinrad Braun

Kurbrunnenstraße 21 A

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Email: dr.braun@praxis-braun-meissner.de

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